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Der Hexer - NR12 - Im Land der GROSSEN ALTEN

Der Hexer - NR12 - Im Land der GROSSEN ALTEN

Titel: Der Hexer - NR12 - Im Land der GROSSEN ALTEN
Autoren: Verschiedene
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Robert.« Shadows Stimme klang sonderbar hohl und fremd in meinen Ohren, aber es war wohl nur meine eigene Erschöpfung, die sie so verzerrt klingen ließ. Mühsam öffnete ich die Augen, blickte sie einen Moment durch einen Schleier von Tränen der Erschöpfung an und schüttelte den Kopf.
    »Laß mich fünf Minuten ausruhen, Shadow«, murmelte ich. Das Sprechen fiel mir schwer. Meine Zunge war geschwollen vor Durst, und mein Gaumen schien wie ein Stück trockenes Pergament reißen zu wollen. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals im Leben so durstig gewesen zu sein. »Ich bin nur ein Mensch«, fügte ich hinzu. »Und wir Menschen brauchen ab und zu eine Pause, weißt du?«
    Shadow schien widersprechen zu wollen, aber dann lächelte sie plötzlich, nickte und kauerte sich neben mich. »Gut«, sagte sie, während sie die Beine an den Körper zog, die Knie mit den Armen umschlang und den Kopf wie ich gegen den glatten Fels sinken ließ. »Es ist noch Zeit genug, bis die Sonne untergeht, und die Sterne stehen günstig.«
    Ich versuchte erst gar nicht, den Sinn ihrer Worte verstehen zu wollen, sondern ließ die Lider wieder sinken und gab mich für Sekunden ganz dem köstlichen Gefühl hin, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren und keine Angst mehr haben zu müssen, eine halbe Meile in die Tiefe zu stürzen.
    Meine Glieder wurden schwer. Die glatte Felswand in meinem Rücken, die mir während des Abstieges wie ein Feind vorgekommen war, tat plötzlich gut, und der Wind, der oben wie mit unsichtbaren Händen an meinen Kleidern gezerrt und versucht hatte, mich in die Tiefe zu reißen, streichelte mich jetzt wie eine sanfte, warme Haut. Eine wohltuende Mattigkeit breitete sich wie eine prickelnde Woge in meinem Körper aus. Ich begriff, daß ich einschlafen würde, wenn ich nicht acht gab, und öffnete mit einem Ruck die Augen.
    Ich war nicht der einzige, in dem die Anstrengungen ihre Spuren hinterlassen hatten.
    Shadow war ganz dicht an mich herangerückt und eingeschlafen. Ihr Kopf war gegen meine Schulter gesunken, das schwarze, seidige Haar hing ihr wirr ins Gesicht, ihr Atem ging schwer und langsam, aber gleichmäßig.
    Behutsam hob ich die Hand, strich ihr Haar zurück und wollte sie wecken, tat es aber dann doch nicht. Ich hatte ihre Warnung keineswegs vergessen, so wenig wie die sonderbaren Röhren, die den Berg in unserem Rücken durchzogen und meine erste Begegnung mit einem Bewohner dieser Welt, aber die Sonne stand noch immer am Himmel, und ich glaubte ihren Worten entnommen zu haben, daß wir nicht in Gefahr waren, ehe es wirklich Nacht wurde. Sie mußte so erschöpft sein wie ich, auch wenn sie sich alle Mühe gab, sich nichts davon anmerken zu lassen. Eine halbe Stunde Schlaf würde ihr guttun und konnte uns kaum schaden, solange ich wach blieb und die Augen offen hielt.
    Vorsichtig verlagerte ich mein Körpergewicht, streckte die Beine aus und ließ Shadows Kopf behutsam in meinen Schoß sinken. Sie bewegte sich unruhig im Schlaf, wachte aber nicht auf, sondern kuschelte sich wie ein Kind nur noch enger an mich. Die Berührung tat sonderbar wohl.
    Wieder machte sich meine Erschöpfung bemerkbar, aber es war eine wohltuende, entspannende Müdigkeit, die nur meinen Körper betraf und die ich in diesem Moment fast begrüßte. Fast ohne daß ich es selbst bemerkte, kroch meine Hand nach unten, suchte die Shadows und verschränkte sich mit ihren Fingern.
    Ihre Haut war heiß und trocken, als hätte sie Fieber, und als ich ihr Gesicht genauer betrachtete, sah ich um Mund und Augen dünne, tief eingegrabene Linien, die neu waren. Sie sah so mitgenommen aus, wie ich mich fühlte, und ich spürte, wie schwer und langsam ihr Herz schlug. Für einen Moment spürte ich eine Woge heißer Zuneigung in mir aufsteigen.
    Ich mußte mir beinahe mit Gewalt ins Bewußtsein rufen, daß sie nur äußerlich ein Mensch war, und selbst das nicht für Dauer. Ihr Gesicht und ihre Gestalt waren die Cindys, einem schlanken, höchstens zwanzigjährigen Mädchen. Sie war nicht einmal eine Schönheit, aber ihre Züge waren von jenem seltenen Liebreiz, den man nur bei sehr wenigen Frauen und auch dort nur zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt findet; dem Moment, in dem sie nicht mehr ganz Mädchen, aber auch noch nicht ganz Frau sind. Etwas von dem Engel, der sie war, war auch in ihrem menschlichen Gesicht zu lesen.
    Und doch verbarg sich hinter dieser engelsgleichen Maske auch ein Ungeheuer; ein Dämon, dem ich vor wenigen Stunden
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