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Der Herzog und seine geliebte Feindin

Der Herzog und seine geliebte Feindin

Titel: Der Herzog und seine geliebte Feindin
Autoren: Courtney Milan
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gewesen war. Das war es. Keine Träume. Keine Phantasien.
    „Und du hast ja auch so viel zu verlieren.“ Lydias Stimme klang spöttisch.
    „Oh, ich habe wirklich einiges zu verlieren. Niemand zeigt mit dem Finger auf mich und flüstert, wenn ich auf die Straße gehe. Keine aufgebrachte Meute folgt mir und verlangt nach Rache. Niemand wirft mit Steinen.“
    Und fremde Männer waren freundlich zu ihr. Er sah verboten gut aus – ohne Zweifel erklärte das das Funkeln in Lydias Augen. Nach dem zu schließen, was Lydia über das Einfuhrgesetz gesagt hatte, war er politisch aktiv. Ein Mitglied des Parlaments vielleicht? Dafür schien er doch viel zu jung.
    „So ernst“, bemerkte Lydia und verzog das Gesicht. „Ja, du hast recht. Man könnte auf dich spucken und dich als Ungeheuer hinstellen. Und vielleicht wirst du auch von Drachen verschlungen. Aber sei doch bitte vernünftig. Nichts von der Art ist auch nur halbwegs wahrscheinlich. Da du es dir nicht selbst vorstellen kannst, tue ich es für dich. Die nächste Minute lang werde ich mir ausmalen, wie er sich umdreht und dich ansieht …“
    Es war nicht nötig, sich das auszumalen. Er, wer auch immer er nun war, drehte sich in genau dem Augenblick um. Er sah zu Lydia, die vor Aufregung praktisch vibrierte. Sie sank in einen tiefen Knicks. Dann fiel sein Blick auf Minnie.
    Da bist du ja, schienen seine Augen zu sagen. Oder etwas in der Art. Weil ein Funke des Wiedererkennens sie durchfuhr. Es war nicht einfach nur, dass sie sein Gesicht sah und es vertraut fand. Es war das Gefühl, dass sie einander kannten, dass ihre Bekanntschaft tiefer ging als die paar Augenblicke, die sie gemeinsam hinter einem Sofa verbracht hatten.
    Die Augen des Mannes wanderten nach rechts, verweilten bei Lydias Vater, der neben ihnen stand. Er machte ein paar Schritte nach vorne zu ihnen, ließ die Leute um sich herum stehen. „Mr. Charingford, nicht wahr?“, erkundigte er sich.
    Als er näher kam, fing er Minnies Blick auf und schenkte ihr ein leicht gequältes Lächeln – eines, das eine lang verborgene Erinnerung weckte.
    Wenn Mr. Charingfords Aufregung es ihr nicht verraten hätte, hätte dieses Lächeln es getan. Dieser Mann war jemand Wichtiges. Sie benötigte einen Moment, um seinen seltsamen Gesichtsausdruck zuzuordnen – dieses Heben der Mundwinkel zusammen mit dem Ausdruck in seinen Augen, so etwas wie leise Verlegenheit.
    Sie hatte das vor Jahren auf Willy Jenkins Gesicht gesehen. Willy Jenkins war größer gewesen als die anderen Jungs seines Alters – und zwar beunruhigend größer. Mit gerade fünfzehn Jahren war er sechs Fuß groß gewesen und gute einhundertsechzig Pfund schwer. Er verfügte auch über die zu seiner Größe passende Kraft. Sie hatte gesehen, wie er seine beiden jüngeren Brüder mit je einer Hand hochgehoben hatte.
    Willy Jenkins war groß und stark, und die anderen Jungen hätten vor ihm Angst gehabt, wenn nicht sein Lächeln gewesen wäre.
    Mr. Charingford verneigte sich ehrerbietig, so tief, dass er beinahe vornüber fiel. Es gelang ihm nur krächzend, die Worte hervorzubringen: „Darf ich bekannt machen …“
    Mr. Charingford schien nicht anzunehmen, dass dieser Mann die Vorstellung erlauben würde – schien zu glauben, er sei auch dann noch höflich, wenn er „nein“ sagte.
    „Unbedingt“, antwortete der Mann. Er erwiderte Minnies Blick; sie schaute rasch weg. „Mein Bekanntenkreis ist nie so groß, dass nicht noch mehr junge Damen dazugehören könnten.“ Wieder dieses entschuldigende Lächeln – Willys Lächeln. Es war das, das Willy aufgesetzt hatte, wenn er beim Armdrücken gewonnen hatte – und das hatte er immer getan. Es war eines, das sagte: Es tut mir leid, dass ich größer und kräftiger bin als du. Ich werde immer gewinnen, aber ich werde mich bemühen, dich nicht dabei zu verletzen. Es war das Lächeln eines Mannes, der wusste, dass er über beträchtliche Kraft verfügte, dem das aber gleichzeitig fast ein wenig peinlich war.
    „Sehr freundlich“, sagte Mr. Charingford. „Dies ist meine Tochter Miss Lydia Charingford und ihre Freundin Miss Wilhelmina Pursling.“
    Der blonde Mann beugte sich über Lydias Hand – ein leises Neigen seines Kopfes, und streckte dann die Hand aus, um Minnies Finger in seine zu nehmen.
    „Meine jungen Damen“, erklärte Mr. Charingford, „dies ist Robert Alan Graydon Blaisdell.“
    Seine Augen – ein Blau, das so farblos war, dass es einen an einen See im Winter denken ließ – blickten
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