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Der Herzog und seine geliebte Feindin

Der Herzog und seine geliebte Feindin

Titel: Der Herzog und seine geliebte Feindin
Autoren: Courtney Milan
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ist so unwahrscheinlich, dass niemand sie in Erwägung ziehen wird. Niemand wird es je erraten.“
    Minnie holte tief Luft, dann noch einmal.
    „Aber …“
    „Um die Wahrheit aufzudecken“, sagte Eliza, „muss er die richtigen Fragen stellen. Vertrau mir, meine Liebe. Niemand wird je auf die Idee kommen zu fragen, ob dein Vater dich in den ersten zwölf Jahren deines Lebens als Junge ausgegeben hat.“
    „Trotzdem. Er muss nur vermuten …“
    „Hör auf, Minnie. Atme gleichmäßig. Dich so aufzuregen wird zu nichts führen.“
    Das war leicht für sie zu sagen. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie den Mob wieder sehen, der immer näher kam, die wutverzerrten Gesichter, die ärgerlichen Stimmen …
    „Es ist nichts“, erklärte Eliza und wechselte ungelenk auf die andere Bank, sodass sie nun neben Minnie saß, legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Es ist nichts. Es ist nichts.“ Mit jeder Wiederholung strich sie Minnie übers Haar. Jedes Flüstern brachte größere Ruhe, bis Minnie ihre wachsende Panik meistern konnte. Sie sperrte die Erinnerung zurück in die Vergangenheit, wo sie hingehörte, hielt sie dort, bis ihre Sicht nicht länger verschwommen war und ihr Atem wieder normal ging.
    „So ist es besser“, sagte Eliza. „Wir werden das schaffen. Stevens hat ebenfalls mit mir gesprochen. Er denkt, du belügst uns – er hat angedeutet, dass du vielleicht nicht bist, wer du zu sein vorgibst, dass du unsere Freundlichkeit ausnutzt.“
    „Oh Gott!“ Minnie stützte den Kopf in die Hand.
    „Nein, nein“, widersprach Caro. „Dieser Geschichte ist leichter zu begegnen, weil sie so eindeutig falsch ist. Wir müssen noch nicht einmal lügen. Ich habe ihm gesagt, ich sei am Tag deiner Geburt dabei gewesen, dass ich deiner Mutter auf dem Sterbebett versprochen hätte, mich um dich zu kümmern, und dass ich es nicht guthieße, wenn er seine Nase in Angelegenheiten steckt, die ihn nichts angehen. Als ich ihm versicherte, es sei vollkommen ausgeschlossen, dass du irgendein Kuckuck seist, der uns unbemerkt untergeschoben worden ist, hat er mir geglaubt.“ Caro nickte nachdrücklich. „Er weiß, dass du meine Großnichte bist – ohne Frage. Er vermutet, dass irgendetwas nicht stimmt, aber ich habe ihn stark verunsichert. Er wird nichts unternehmen.“
    „Aber ich bin es doch nicht.“ Minnie rang um Luft. „Ich bin nicht deine Großnichte. Ich bin …“
    Caro streckte ihren Stock aus und klopfte Minnie damit gegen das Bein. „Sprich nicht so. Du weißt doch, wie es ist.“
    Das tat sie. Solange Minnie sich erinnern konnte, hatte sie die beiden Großtante genannt, obwohl sie nur mit Eliza wirklich verwandt war. Vor beinahe fünfzig Jahren hatten Eliza und Caro dasselbe Mädchenpensionat besucht. Sie hatten in der guten Gesellschaft Londons gemeinsam ihr Debüt gemacht, und als sie beide auch nach mehreren Saisons keinen Mann gefunden hatten, den sie hätten lieben können, hatten sie sich beide geweigert, aus Vernunftgründen zu heiraten. Stattdessen waren sie gemeinsam auf den kleinen Gutshof gezogen, den Caro außerhalb von Leicester besaß – als Freundinnen und alte Jungfern für den Rest ihres Lebens. Sie standen sich so nahe wie Schwestern. Oder auch näher, vermutete Minnie.
    „Mach dir keine Sorgen“, verlangte Eliza. „Ich habe es deiner Mutter versprochen. Das haben wir beide.“ Ihre Stimme bebte. „Ich habe sie zu meiner ewigen Schande einmal im Stich gelassen. Nie wieder.“
    Minnie griff nach oben und berührte die Narbe auf ihrer Wange. Als Kind hatte sie sich für unverwundbar gehalten. Andere Leute scheiterten und versagten, sie jedoch nicht. Die Ungeheuerlichkeit dessen, was sie erreicht hatte, war nur übertroffen worden durch ihren tiefen Fall danach. Sie konnte sich immer noch erinnern, im Dunkeln zu liegen, ohne zu wissen, ob sie je wieder auf dem einen Auge würde sehen können. Das war der Moment gewesen, als ihre Großtanten gekommen waren, um ihr zu helfen.
    „Wenn du mit uns kommst“, hatte Caro ihr gesagt, „wirst du eine Chance haben.“
    Sie hatten ihr nicht das Glitzerleben geboten, von dem die meisten jungen Mädchen träumten. Wenn sie mit ihren Großtanten ging, erwartete sie ein genügsames Leben. Ein angenommener Name. Sie würde noch ein paar Jahre ihrer Kindheit genießen und dann ein wenig Zeit haben, die Männer der Gegend kennenzulernen. Vielleicht würde sie sogar heiraten und Kinder bekommen. Es gab keinen Ruhm für sie, keine Bewunderung. Sie hatten
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