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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs
Autoren: Sara Douglass
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Drava. Ich kann nicht… ich weiß nicht…«
    »Nein«, unterbrach Drava. »Nein. Du kannst ihnen nicht helfen… aber ich kann etwas für sie tun.« Er drehte den Kopf leicht zur Seite. »Ravenna, würdest du dich neben mich stellen und mir die Hand auf die Schulter legen?«
    Garth beobachtete mit einem Anflug von Eifersucht, wie Ravenna zu Drava trat und tat, was er verlangte. Auch Maximilian hatte sich eingehend mit Ravenna beschäftigt, doch das hatte ihn nicht gestört – es schien nicht mehr als recht und billig zu sein –, aber dieses übernatürliche Wesen wurde ihm allmählich etwas zu vertraulich.

    »Ravenna«, sagte Drava, »die verlorenen Seelen möchten wieder leben und lachen, aber ihre menschliche Gestalt kann ich ihnen leider nicht zurückgeben. Das übersteigt meine Fähigkeiten.«
    »Sie sehnen sich nach dem Meer«, bemerkte Ravenna leise.
    »Das Meer ist für sie gleichbedeutend mit Freiheit.«
    »Was schlägst du also vor, du, meine Herrin des Traumreichs?«
    Sie lächelte, dann beugte sie sich über Drava und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er lachte entzückt, und seine Finger auf dem Hangenden zuckten, als wolle er in die Hände klatschen.
    Die Schatten bewegten sich ungeduldig.
    »Es soll geschehen«, flüsterte Drava, plötzlich ernst geworden, »wie du es willst.«
    Die Schatten erstarrten, und die gefangenen Seelen schauten mit großen, verwunderten Augen in den Stollen herein…
    … und veränderten sich allmählich, ganz allmählich.
    Die Körper wurden breiter und noch dunkler. Die Beine wuchsen zusammen, die Arme verdickten und verkürzten sich.
    Die Köpfe wurden gedrungener, Gesichtszüge verschwammen und flossen ineinander. Die Augen rundeten und vergrößerten sich und füllten sich mit abgeklärtem Humor.
    »Seehunde!« rief Garth erstaunt. »Sie verwandeln sich in Seehunde!«
    »Kennst du eine bessere Lösung?« rief Drava. »Als Seehunde genießen sie grenzenlose Freiheit. Sie können lachen und vor Freude in ihre Flossen klatschen und den Himmel anbellen, oder sie können lautlos ins Wasser gleiten, um sich mit den Delphinen in den schattigen Tiefen zu tummeln. Ein Leben voller Heiterkeit und Glück. Ich kann mir kein schöneres vorstellen.«
    »Ich auch nicht«, sagte Maximilian leise, und die Tränen rannen ihm über das Gesicht. »Ich auch nicht.«

    Cavors Schreie waren verstummt, aber Furst wußte, daß er nicht tot war. Die Augen eines Toten konnten nicht so viel Schmerz aussenden.
    Doch bis auf diese Augen und ihre Qual war Cavor vollends zu weißem Marmor geworden.
    Sein Gewicht riß den Aufzug unaufhaltsam in die Tiefe.
    Sie zogen weiter. Zu Hunderten, ja zu Tausenden erhoben sich die Männer und leisteten Maximilian den Treueid.
    Eine Ehrengarde ohnegleichen, dachte Garth. Er war inzwischen leicht benommen.
    Bevor er vor Erschöpfung umsinken konnte, ließ Maximilian endlich anhalten. Sie hatten schon nicht mehr geglaubt, das Ende des Stollens noch zu erreichen. Nun lag der Schacht vor ihnen, aber der Aufzugkorb war nicht mehr da.
    Maximilian trat an den Rand und blickte nach oben. »Ich sehe eine Leiter!« rief er. Die Schachtwände warfen seine Stimme zurück. »Und über uns leuchtet die Sonne – es sind höchstens fünfzig oder sechzig Schritte.«
    Unmöglich, dachte Garth müde. Aber sie waren immer noch in diesem Traum befangen, und darin war alles möglich.
    Maximilian setzte den Fuß auf die Leiter und stieg rasch empor. Schon im nächsten Augenblick war er verschwunden.
    Garth stieß einen Seufzer aus und folgte ihm. Hinter ihm kam Egalion. Die ersten der vielen tausend Gefolgsleute schlossen sich an.
    Ein Mann nach dem anderen kletterte die Leiter hinauf. Nach einer Weile faßte Drava nach Ravennas Hand und zog sie sanft beiseite.

    »Manchmal«, sagte er leise, »fühlt sich der Herr der Träume in seinem Reich sehr einsam. Und wer einsam ist, wird oft auch traurig.«
    Sie schwieg und regte sich nicht, aber sie zog auch ihre Hand nicht zurück.
    »Und du, Ravenna, bist du nicht manchmal deiner Sümpfe überdrüssig und glaubst, die Tage nähmen nie ein Ende?«
    Sie schwieg noch immer und ließ die Augen nicht von den Männern, die an ihnen vorbei zum Schacht zogen, doch sie rückte näher an ihn heran, und er spürte, wie sie ein leichtes Zittern durchlief.
    »Herrin«, flüsterte er kaum hörbar, »willst du mit mir über die Traumpfade der Nacht wandeln? Wollen wir gemeinsam den Traum wagen?«
    Ravenna hob den Kopf und sah ihm in die Augen. Dann
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