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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs
Autoren: Sara Douglass
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hören. Maximilian mühte sich auf und legte die Hand an die Stollenwand.
    Sie zitterte unter seinen Fingern.
    Drava legte neugierig den Kopf zur Seite. »Hört ihr?« fragte er leise. »Das Meer ist eingedrungen.«
    Jetzt spürten sie das Beben nicht nur unter den Füßen, sondern hörten es auch wie fernen Donner… und plötzlich stieg ihnen zu ihrem Entsetzen der Geruch von Salzwasser in die Nase und verdrängte den Glommgestank.
    Garth wünschte sich die schützende Gestankwolke sehnlich zurück.
    »Es ist schlimm«, flüsterte Maximilian. »Sehr schlimm.« Er hielt inne, und als er weitersprach, klang seine Stimme seltsam flach. »Wir sind verloren. Vor dieser Katastrophe gibt es kein Entrinnen mehr.«
    Drava faßte Ravennas Hand noch fester. Sie war bei Maximilians Worten näher an ihn herangerückt, und er spürte, wie sie zitterte. »Oh«, lächelte er, »da wäre ich mir nicht so sicher.«
    Sein Ton wurde schärfer. »Maximilian!« Er klopfte mit der anderen Hand dem König auf die Schulter. »Bist du bereit, den Traum zu wagen?«
    Maximilian starrte den Herrn des Traumreichs an. »Wie meinst du das?«

    »Hast du den Mut?« Dravas Stimme war hart und fordernd geworden.
    Maximilian richtete sich auf und nahm die Schultern zurück.
    »Ja, Drava. Ich habe den Mut.«
    »Willst du dem Hangenden entkommen?«
    »Ja.« Maximilian zögerte. »Drava, hier unten sind noch andere Menschen gefangen. Tausende. Wärter und Sträflinge.
    Was sie auch verbrochen haben mögen, so zu sterben hat keiner verdient.«
    Drava zog eine blaue Augenbraue hoch. »Verbrecher, Maximilian? Du willst Verbrecher retten?«
    Maximilian wich seinem Blick nicht aus. »Ich bin auch für sie verantwortlich, Drava – und wenn es für mich Hoffnung gibt, dann will ich sie in diese Hoffnung mit einschließen.«
    Drava nickte bedächtig. Maximilian war nicht nur der wahre König, er würde auch ein guter König sein. »Wie du willst.« Er wandte sich ab und sah lächelnd zu Ravenna hinab. Dann faßte er ihre Hand, und ihre Finger griffen ineinander. »Ravenna, willst du mir helfen?«
    Sie lächelte zurück. Drava brauchte keine Hilfe… aber es war schön, daß er gefragt hatte. »Gewiß, Herr.«
    »Dann«, flüsterte der Herr des Traumreichs, und in seinen Augen flackerte es grünlich auf, »laßt uns den Traum wagen.«
    Im Stollen erlosch auch das letzte Licht; Garth, der dicht neben Egalion stand, hörte die keuchenden Atemzüge des Hauptmanns, und er hörte auch den eigenen Atem rasselnd durch die Kehle streichen. Das Donnern der See klang jetzt näher… sehr viel näher, so nahe, daß der Tunnelboden unter seinen Füßen schwankte.
    Cavors Schwert löste sich aus dem Hangenden und fiel klirrend zu Boden. Alle erschraken. Ein Regen aus kleinen Steinen prasselte hernieder.

    Schweigend drängte sich die Gruppe dichter zusammen, und Garth spürte, wie Maximilian ihm und Egalion eine Hand auf die Schulter legte. »Nur Mut«, flüsterte der König. »Glaubt an den Traum.«
    »Glaubt daran«, beschwor sie auch Drava, und dann stockte allen bis auf den Herrn des Traumreichs selbst vor Staunen der Atem. Ein zartes grünes Licht war an die Stelle der Finsternis getreten.
    Über und unter ihnen zogen sich Tausende von dünnen smaragdgrünen Linien wie Spinnennetze durch den Fels. Vor den Augen der verblüfften Zuschauer wanderten sie vom Hangenden herab und vom Liegenden hinauf, bis der ganze Stollen in ein zuckendes Geflecht aus feinen smaragdgrünen Fäden gehüllt war.
    Sprünge. Zehntausende.
    Garth erinnerte sich an seine Träume von der berstenden Felswand und konnte einen Schauer des Entsetzens nicht unterdrücken.
    »Nur Mut«, wiederholte Maximilian, und Garths Anspannung löste sich, als er die Zuversicht in der Stimme seines Königs hörte.
    Das Smaragdnetz verdichtete sich, die Sprünge breiteten sich weiter aus. Binnen weniger Minuten war der ganze Stollen zu trübem smaragdgrünem Glas geworden. Garth spürte Maximilians Hand noch auf der Schulter, dennoch zuckte er überrascht zusammen – denn hinter den milchigen Wänden wogte schattengleich die See.
    »Willkommen im Traum«, sagte Drava.
    »Wieso dauert das so lange?« murrte Cavor und krallte sich mit einer Hand am Gitter des Aufzugkorbs fest. »Nach unten ging es doch sehr viel schneller!«

    Furst warf einen empörten Blick auf die niedrige Decke, als könnte das helfen, sie rascher nach oben zu tragen. Der Aufzug schien sich ja mit ausreichender Geschwindigkeit zu bewegen, er
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