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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte
Autoren: Michael Moorcock
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den Raum und goß sich ein großes Glas Rum ein. Seinen Vorrat an Drogen hatte er während des Gesprächs mit mir aufgebraucht. »Nachdem mein Kommandeur mich hinausgeworfen hatte - ich habe ihn übrigens erkannt - wanderte ich nach Teku Benga hinauf. Ich kam bis an die Schlucht, natürlich lag die ganze Stadt in Ruinen. Ich hatte das entsetzliche Gefühl, daß ich, wenn ich die Schlucht überqueren könnte - einen Leichnam finden würde, der der meine war. Also versuchte ich es erst gar nicht. Ich besaß ein paar Shillinge und kaufte mir ein paar Eingeborenenkleidungsstücke - dann bettelte ich mir meinen Weg durch Indien, manchmal fuhr ich ein Stück mit dem Zug. Anfänglich suchte ich nach einer Art Bestätigung für meine eigene Identität, jemanden, der mir versichern würde, daß ich wirklich am Leben war. Ich sprach mit Mystikern, die mir begegneten, und versuchte etwas Vernünftiges aus ihnen herauszubekommen, aber es hatte alles keinen Sinn. So beschloß ich zu versuchen, meine Identität zu vergessen. Ich gewöhnte mir an, Opium in jeder Art zu mir zu nehmen. Ich reiste nach China. Nach Shantung. Ich fand das Tal der Morgendämmerung. Ich weiß nicht, was ich mir davon erhofft hatte. Es war so wunderschön, wie ich es immer gekannt hatte. Dort lag jetzt ein armes, kleines Dorf. Die Menschen waren freundlich zu mir.«
    »Und dann kamen Sie hierher?«
    »Ja, nachdem ich eine ganze Reihe anderer Orte besucht hatte.«
    Ich wußte nicht, was ich von dem Burschen halten sollte. Ich konnte nicht anders, als ihm jedes Wort glauben. Seine Stimme klang so überzeugend.
    »Ich glaube, Sie sollten besser mit mir nach London fahren«, empfahl ich ihm. »Und Ihre Verwandten besuchen. Sie müssen Sie doch erkennen.«
    »Vielleicht.« Er seufzte. »Aber wissen sie, ich habe das Gefühl, daß ich nicht hierher gehöre . Diese Explosion - diese schreckliche Explosion über Hiroshima - sie… sie hat mich von einer Zeit, in die ich nicht gehörte, in eine andere geschleudert…«
    »Ach, Unfug.«
    »Nein, das ist wahr. Wir haben das Jahr 1903 - oder ein 1903 -, aber… es… es ist nicht mein 1903.«
    Ich glaubte zu begreifen, was er sagen wollte, aber ich konnte kaum glauben, daß etwas Derartiges auch nur annähernd der Wahrheit entsprach. Ich konnte noch hinnehmen, daß ein Mensch in die Zukunft gereist und in seine eigene Epoche zurückgekehrt war, aber ich konnte nicht glauben, daß es ein alternatives 1903 geben sollte.
    Bastable nahm hoch einen Drink. »Und beten Sie zu Gott, daß es nicht Ihr 1973 war«, sagte er. »Wildgewordene Wissenschaftler - Revolutionäre - Bomben, die ganze Städte vernichten können!« Er schüttelte sich.
    »Aber es gab doch auch große Errungenschaften«, meinte ich zögernd. »Und ich bin nicht überzeugt, ob die Eingeborenen, von denen sie sprachen, letzten Endes nicht besser dran waren.«
    Er zuckte die Achseln. »Verschiedene Zeitalter lassen die gleichen Menschen die Dinge anders betrachten. Ich tat, was ich tat. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Heute würde ich es vermutlich nicht tun. Abgesehen davon herrscht in dieser unserer Welt mehr Freiheit, mein Alter. Glauben Sie mir das!«
    »Aber sie wird jeden Tag weniger«, erwiderte ich. »Und nicht jeder ist frei. Ich will gerne zugeben, daß dieses Vorrecht existiert…«
    Er hob die Hand, um mich zum Schweigen zu veranlassen. »Um Himmels willen keine derartige Diskussion!«
    »In Ordnung.«
    »Ihre Aufzeichnungen können Sie ebensogut zerreißen«, meinte er. »Niemand wird Ihnen Glauben schenken. Warum auch? Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich einen kleinen Spaziergang mache - ein bißchen Luft schnappe, während ich mir überlege, was ich tun will?«
    »Ganz und gar nicht. Sehr schön.«
    Ich blickte ihm nach, wie er erschöpft das Zimmer verließ und hörte seine Schritte auf der Treppe. Was für ein seltsamer Mann er war!
    Ich überflog meine Notizen. Gigantische Luftschiffe - Einschienenbahnen - elektrische Fahrräder - drahtloses Telefon - Flugmaschinen leichter als Luft - all diese Wunderdinge. Sie konnten nicht das Produkt der Fantasie eines einzigen jungen Mannes sein.
    Ich legte mich auf mein Bett, grübelte immer noch darüber und muß wohl eingeschlafen sein. Ich erinnere mich, einmal kurz aufgewacht zu sein und mich gewundert zu haben, wo Bastable war, dann schlief ich weiter bis zum Morgen in der Annahme, daß er sich im Nebenzimmer befand.
    Doch als ich aufstand, erzählte mir Ram Dass, daß das Bett unberührt geblieben
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