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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte
Autoren: Michael Moorcock
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Residenz des Repräsentanten zur Aufführung bringt und so eine Art Club, wo man Billard spielen kann, falls eines der ältesten Mitglieder einen dazu einlädt (mich hat man einmal eingeladen, aber ich habe ziemlich schlecht gespielt). Die Tageszeitungen aus Singapur, Sarawak oder Sydney sind mindestens vierzehn Tage alt, ehe man sie in die Finger bekommt, die Times vier bis sechs Wochen und die illustrierten Wochen- oder Monatszeitschriften aus der Heimat gut und gern ein halbes Jahr, bis man einen Blick in sie werfen kann. Diese spärliche Versorgung mit aktuellen Nachrichten ist natürlich zur Erholung eines Mannes, der einen Zusammenbruch hinter sich hat, hervorragend geeignet. Man kann sich kaum über einen Krieg ereifern, der ein oder zwei Monate stattfand, bevor man davon gelesen hat, oder über eine Börsenerschütterung, die sich auf die eine oder andere Weise in der vergangenen Woche erledigt haben wird. Man ist gezwungen, sich zu entspannen. Schließlich hat man so keine Möglichkeit, in den Verlauf dessen einzugreifen, was zur Geschichte geworden ist. Doch wenn man dann wieder zu körperlichen und geistigen Kräften kommt, begreift man bald, wie sehr man sich langweilt - und diese Erkenntnis hatte mich nach zwei Monaten massiv getroffen. Ich begann, üble Hoffnungen zu hegen, daß etwas auf Rowe Island geschehen möge - eine Bergwerksexplosion, ein Erdbeben oder gar ein Aufstand der Einheimischen.
    In dieser Stimmungslage machte ich einen Bummel durch den Hafen und sah zu, wie die Schiffe be- und entladen wurden, wobei lange Reihen von Kulis Säcke mit Mais und Reis vom Kai wegschleppten oder Loren mit Phosphat die Laderampen hinaufschoben, um die Erze in die leeren Laderäume zu kippen. Voller Überraschung sah ich viele Frauen dort Arbeiten verrichten, die man in England einer Frau nicht nur nicht zugemutet hätte, sondern bei denen man gar nicht auf die Idee gekommen wäre, daß Frauen dazu überhaupt in der Lage sein könnten! Einige dieser Frauen waren sehr jung, manche fast schön. Der Lärm war nahezu ohrenbetäubend, wenn ein oder gar mehrere Schiffe im Hafen lagen. Nackte braune und gelbe Körper wimmelten wie ein wogendes Meer und schwitzten in der sengenden Hitze, welche nur der Wind von See her milderte.
    An einem solchen Tag befand ich mich wieder einmal im Hafen, nachdem ich in Olmeijers Hotel, wo ich auch wohnte, zu Mittag gegessen hatte und beobachtete, wie ein Dampfer sich seinen Weg zum Kai bahnte, indem er tutete, um die umherwimmelnden Daus und Dschunken zu vertreiben. Wie viele der Schiffe, die diesen Teil der Welt befahren, war dieser Dampfer stabil und von wenig elegantem Aussehen. Rumpf und Aufbau waren zerschrammt und benötigten einen neuen Anstrich, und seine Mannschaft, vorwiegend Laskaren, sah so aus, als gehöre sie eher auf irgendein malaiisches Piratenschiff. Ich sah, wie der Kapitän, ein älterer Schotte, sie von seiner Brücke herunter schalt und zusammenhanglos durch ein Megaphon bellte, während ein Mischlingsmaat einen kuriosen Tanz zwischen den Seeleuten aufführte. Bei dem Schiff handelte es sich um die Maria Carlson , die Lebensmittel und, wie ich hoffte, Post brachte. Schließlich legte sie an, und ich bahnte mir meinen Weg durch die Kulis in der Hoffnung, sie habe mir einige Briefe und die Zeitschriften mitgebracht, die mir mein Bruder aus London schicken sollte.
    Die Vertäuung war gesichert, der Anker geworfen und die Gangway herabgelassen, dann kam der Maat mit der Mütze im Genick und offenem Jackett herabgesprungen, schrie die Kulis an, die sich dort versammelten und mit Papierfetzen wedelten, die man ihnen in den Agenturen ausgehändigt hatte. Während er herumbrüllte, sammelte er die Papiere ein, gestikulierte wild in Richtung des Schiffes und erteilte offensichtlich Anweisungen. Ich winkte ihm mit meinem Spazierstock.
    »Irgendwas an Post?« rief ich.
    »Post? Post?« Er schenkte mir einen Blick voller Haß und Verachtung, den ich als verneinende Antwort auf meine Frage auslegte. Dann rannte er wieder die Laufplanke hinauf und verschwand. Ich wartete trotzdem in der Hoffnung, den Kapitän zu sehen und mir von ihm bestätigen zu lassen, daß er tatsächlich keine Post dabeihatte. Dann sah ich oben an der Laufplanke einen Weißen auftauchen, der stehenblieb und fassungslos um sich schaute, als hätte er nicht damit gerechnet, auf der anderen Seite der Reling überhaupt Land zu erblicken. Irgend jemand gab ihm von hinten einen Schubs, worauf er die
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