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Der heilige Erwin und die Liebe

Der heilige Erwin und die Liebe

Titel: Der heilige Erwin und die Liebe
Autoren: Jasna Mittler
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mussten drei Kneipentische zusammenrücken und mit einem großen Tuch bedecken, um für alle Gäste Platz zu schaffen. Erwin rückt Wein- und Wassergläser zurecht, poliert das Besteck, bevor er es neben den Tellern platziert, und krönt jedes Gedeck mit einer gefalteten Serviette. Zufrieden betrachtet er sein Werk. Es ist eine richtige Festtafel geworden.
    Die Tür der Kneipe wird aufgerissen, und Erbse poltert herein. »Fröhliche Weihnachten!«, ruft sie und fällt Erwin so stürmisch um den Hals, dass er um ein Haar im Tannenbaum gelandet wäre.
    Â»Erbse!«, mahnt die Mutter, die gleich nach dem Mädchen eingetreten ist. Sie wendet sich Erwin zu: »Bitte entschuldigen Sie, unsere Tochter ist heute völlig überdreht!«
    Erwin streicht Erbse über den Kopf. »Aber das macht doch nichts«, sagt er. »Dir auch fröhliche Weihnachten, Erbse! Und Ihnen natürlich ebenfalls«, richtet er sich jetzt an die Eltern des Mädchens sowie an die alte Dame mit dem freundlichen Gesicht, die zwischen dem Paar steht. »Herzlich willkommen. Ich bin der ­Erwin.« Er schüttelt den Erwachsenen die Hände, während Erbse stolz ihre Familie präsentiert.
    Â»Meine Mama, mein Papa und Oma Toni!« Sie blickt sich um. »Aber wo steckt eigentlich Rita?«
    Â»Hier stecke ich!« Die Wirtin kommt aus der Küche. »Herzlich willkommen allerseits«, sagt sie, während sie sich die Hände an der Schürze abtrocknet. »Bitte nehmen Sie doch Platz, ich bin gleich so weit.«
    Nachdem sich alle gesetzt haben, schenkt Erwin die Getränke ein.
    Â»Du machst das ja richtig gut!«, sagt Erbse anerkennend, als er ihr das Glas reicht.
    Â»Tja, ich übe eben«, erwidert Erwin mit einem Lächeln. »Damit ich Rita hier öfter mal zur Hand gehen kann.«
    Erbse nimmt versonnen einen Schluck von ihrem Saft. Sie erinnert sich, wie Lolli und sie Erwin darauf aufmerksam gemacht haben, dass sich Rita von ihm mehr Unterstützung wünscht. Die Erwachsenen können also doch noch dazulernen, denkt sie zufrieden. Und wer hätte gedacht, dass sich ihre Eltern einmal freiwillig in Ritas Kneipe begeben würden? Sie wirken zwar noch etwas unbeholfen, aber immerhin haben sie sich an den Tisch gesetzt und unterhalten sich mit Erwin über das Wetter und über Weihnachtsbäume. Dass sie tatsächlich ihre Abreise verschieben würden, um hier zu feiern, hat Erbse bis zuletzt nicht geglaubt. Dabei hatte sie ihren Eltern sogar angeboten, auf alle Geschenke zu verzichten, um die Umbuchungsgebühr zu bezahlen. Schließlich haben sie sich darauf eingelassen. Ein Geschenk hat sie aber trotzdem bekommen: eine wunderschöne Halskette, und als Anhänger – einen eigenen Haustürschlüssel! »Als Zeichen dafür, dass du jetzt selbständiger wirst!«, hatte ihre Mutter gesagt und das Mädchen fest an sich gedrückt. Erbse legt die Hand auf den Schlüssel, den sie an der Kette um den Hals trägt. Dieses Geschenk ist ihr wichtiger als alle anderen Dinge, die sie sich ursprünglich zu diesem Weihnachtsfest gewünscht hatte und die ihre Eltern nun, wie besprochen, umgetauscht haben.
    Die Tür geht auf, und Lolli tritt ein, seine Mutter an der Hand mit sich ziehend. Den beiden folgen Christof und Florian, Lollis Brüder, die sich unsicher umblicken. Mittlerweile ist Rita in der Küche fertig geworden, und sie kommt ebenfalls, um die Gäste zu begrüßen. Als Lollis Mutter sich für die Verspätung entschuldigen will, winkt Rita ab. »Jetzt sind Sie da, dann ist doch alles in Ordnung«, sagt sie. »An einem Tag wie heute soll sich doch niemand abhetzen!«
    Lolli, der sich neben Erbse an den Tisch gesetzt hat, beugt sich zu dem Mädchen hin. »Ich habe eben mit meinem Vater telefoniert«, wispert er aufgeregt.
    Erbse macht große Augen. »Und?«, fragt sie neugierig, »Wie ist der so?«
    Der Junge zuckt mit den Schultern. »Ganz nett, glaube ich. Er holt uns übermorgen ab, zum Kino!« Lolli verstummt und senkt seinen Blick auf die Tischdecke. »Bisschen aufgeregt bin ich schon«, flüstert er.
    Erbse ergreift seine Hand und drückt sie fest. »Ach, guck ihn dir halt mal an«, sagt sie aufmunternd. »Was soll schon passieren?«
    Lolli nickt. »Stimmt, was soll mir jetzt noch passieren?«, fragt er grinsend und erwidert den Händedruck. »Nach allem, was wir
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