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Der heilige Erwin und die Liebe

Der heilige Erwin und die Liebe

Titel: Der heilige Erwin und die Liebe
Autoren: Jasna Mittler
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die auf ihren ­Planeten bereits zu Lebzeiten mit dem heiligen Außen­minister in Kontakt gekommen sind, nutzen das unverhoffte Wiedersehen, um ihn in eine Unterhaltung zu verstricken. Wie dieser Krosspisianer, der mittlerweile vor ihm sitzt und ausführlich über das Wetter berichtet, das zu seiner Todesstunde auf seinem Heimatplaneten geherrscht habe. Und ob der Heilige Geist ni cht zustimmen müsse, dass Krosspisian um diese Zeit des Jahres ein ganz besonders lieblicher Ort sei? Der Außenminister hat Mühe, den Redestrom seines Gegenübers zu bremsen. Ganz aufgeregt dribbelt als Nächstes ein Ping vom Planeten Pong vor dem Schreibtisch auf und ab. Diese Lebensform kommuniziert allein über den gehüpften Rhythmus. Pingisch gehört zu einer der komplizierteren Sprachen im Universum, da man über ein sehr ausgeprägtes Rhythmusgefühl verfüg en muss, um die Feinheiten in dem Geploppe und Getitsche ­unterscheiden zu können. Der Heilige Geist kann mit Stolz von sich behaupten, dass es bisher noch keine Sprache gab, die er nicht innerhalb von kürzester Zeit verstanden und beherrscht hätte. Gut, die Farbsprache der Xyphüsanten hat ihm gewisse Schwierigkeiten bereitet. Immerhin handelt es sich bei dieser Lebensform um transzendente Wesen, die allein über ihr prächtiges Farbenspiel kommunizieren. Aber auch diese Herausforderung hat er gemeistert. Überhaupt konnte er bisher immer mit seiner Arbeit zufrieden sein. Bis das Unheil mit der Erde anfing. Wegen der Menschen wäre ihm schon so manches graue Haar gewachsen – wenn er denn Haare gehabt hätte. Er hat Gott gleich gesagt, dass es zu Problemen kommen wird, wenn Er so viele verschiedene Lebewesen auf einem einzigen Planeten ansiedelt.
    Aber Gott hat abgewinkt, wie jeder Künstler, der von seinem Werk besessen ist. »Wie sollen wir wissen, was daraus wird, wenn wir es nicht VERSUCHEN ?«, hat Er mit seiner donnernden Stimme verkündet. Und das Projekt durchgezogen, ohne auch nur einen einzigen der Änderungsvorschläge zu berücksichtigen, die der Heilige Geist hervorbrachte.
    Seit die Menschheit tatsächlich – wie zu erwarten war – aus den Fugen geraten ist, versuchen sie, das Projekt Erde zu retten. Das wäre ein Leichtes, wenn man auf die Anwesenheit der Menschen auf dem Planeten verzichten würde, findet der Heilige Geist. Aber sowohl Gott wie auch Jesus halten an dieser Lebensform fest. Und so schwer es ihm auch fällt, hier muss der Heilige Geist zugeben, dass er zum ersten Mal in seiner Laufbahn als Außenminister versagt hat. Es ist ihm trotz zahlreicher Versuche nicht gelungen, die Erdlinge zu bekehren. Dabei hat er sich sogar ihrer eigenen Mittel bemächtigt, um Gottes Botschaft zu verkünden. Er hat in Radio und Fernsehen für ein besseres Miteinander geworben, hat die Verhaltensregeln, die Jesus für die Menschen entworfen hat, im Internet veröffentlicht und die Zeitungen damit volldrucken lassen. Vergeblich. Daher war er letztlich froh, dass Gott und Jesus beschlossen haben, zur Erde aufzubrechen. Sollen die beiden es doch selbst versuchen, wenn sie schon so unbedingt an diesem Projekt festhalten müssen! Auch wenn das für ihn heißt, dass er Gott für die Dauer der Dienstreise hier vertreten und die Neuankömmlinge begrüßen muss. Das wäre ein Kinderspiel, wenn da nicht diese innere Unruhe wäre, die ihm zu schaffen macht. Er hat permanent das Gefühl, etwas zu verpassen. Er ist sich sicher, dass seine Anwesenheit gerade in diesem Augenblick irgendwo in den Weiten des Universums dringend erforderlich ist. Dass sich gerade jetzt Missverständnisse und Probleme zwischen den Daseinsformen der verschiedenen Planeten anhäufen, die er mit Leichtigkeit ausbügeln könnte, wenn er nur vor Ort wäre.
    In der Reihe der wartenden Seelen wird es laut. »Geht es hier bald mal weiter?!«, poltert ein Tara-ki mit der für diese Spezies so typischen Grollstimme.
    Der Heilige Geist, ganz in Gedanken versunken, schreckt auf. »Wenn Sie mich bitte für einen kurzen Moment entschuldigen würden? Ich bin sofort zurück!«, signalisiert er in allen ihm zur Verfügung stehenden Sprachen und verlässt den Empfangsraum in Richtung großer Sitzungssaal. Dort findet gerade die Chorprobe der Engel statt. Als der Heilige Geist zur Tür hereinschwebt, bricht der Gesang schlagartig ab. Alle Augen sind auf ihn
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