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Der heilige Erwin und die Liebe

Der heilige Erwin und die Liebe

Titel: Der heilige Erwin und die Liebe
Autoren: Jasna Mittler
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gerichtet, der in der Mitte des Saales zum Stehen kommt.
    Â»Ihr werdet in einer dringenden Angelegenheit gebraucht!«, verkündet der Heilige Geist feierlich. »Ihr müsst mich beim Seelenempfang vertreten.« Zufrieden beobachtet er, wie sich die Engel um Gottes Schreibtisch scharen. Noch ehe jeder einen Platz gefunden hat, ist der Heilige Geist bereits unterwegs zu fernen Galaxien.





n der Mitte des Stuhlkreises steht ein Tischchen mit einem Adventskranz. Die Lehrerin zündet zwei der vier Kerzen am Kranz an und nimmt dann ebenfalls im Stuhlkreis Platz. Draußen ist es an diesem frühen Montagmorgen noch beinahe dunkel, und so sieht das Klassenzimmer, nur vom Kerzenschein beleuchtet, richtig gemütlich aus. Die Lehrerin heißt Frau Wilmer, das hat Gott aus den Gesprächen herausgehört. Die junge Frau schlägt ein Buch auf, das in ihrem Schoß liegt. Alle Kinder schauen sie gespannt an.
    Â»Ich werde euch heute eine Geschichte vorlesen aus der Zeit, als die Römer hier in Köln waren«, sagt sie und hält das aufgeschlagene Buch hoch, damit alle die Bilder sehen können.
    Gott muss Olli-Lollis Augen anstrengen, um in dem diffusen Licht etwas erkennen zu können. Menschen in seltsamen Gewändern sind in dem Buch abgebildet, und Mauerreste, Tonscherben und anderer Firlefanz.
    Â»Ihr erinnert euch doch bestimmt noch an unseren Ausflug ins Museum?«, fährt Frau Wilmer fort. »Wo wir die Fundstücke aus der römischen Zeit angeschaut haben?«
    Einige Kinder nicken, andere bohren in der Nase. Gott betrachtet die Schmutzränder unter Olli-Lollis Fingernägeln. Ihm ist unbehaglich zumute, wie Er so mit den anderen im Kreis sitzt, allen Blicken schutzlos ausgeliefert. Daher versucht Er, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Aber gerade das scheint die Aufmerksamkeit der Lehrerin magisch anzuziehen.
    Â»Oliver«, richtet sie sich nun in aufmunterndem Tonfall an ihn, »möchtest du uns nicht mal sagen, was du über die Römer weißt?«
    Zunächst denkt Gott, sie habe jemand anderen gemeint und sähe ihn nur aus Versehen an, da Er mit dem Namen Oliver nichts anfangen kann. Erst als ihm sein Sitznachbar den Ellbogen in die Seite rammt und ihm zuraunt: »Olli, du bist dran!«, spürt Gott, wie Olli-Lollis Ohren rot werden. Heiße Schauer laufen ihm über den Rücken.
    Â»Die Römer«, stammelt Er und rutscht auf dem Sitz hin und her. Dann schließt Er für einen Moment die Augen und konzentriert sich. In seinem Inneren zieht in Sekundenschnelle die Römische Antike vom Aufstieg bis zum Niedergang vorbei. Eine Fülle von Informationen, so dass Er gar nicht weiß, wo Er anfangen soll.
    Â»Na, Oliver?«, hakt die Lehrerin nach, und ihre Stimme klingt nicht mehr ganz so freundlich wie zuvor. »Du wirst uns doch hoffentlich hier nicht einschlafen?«
    Also entscheidet sich Gott für ein Detail, das ihm interessant erscheint: »Die Römer hatten Hunderte von Gottheiten!«, platzt Er heraus. »Götter und Göttinnen. Und Halbgötter. Und Geister. Alles nebeneinander!«
    Die Lehrerin lächelt anerkennend und will sich dem nächsten Kind zuwenden.
    Â»Es gab einen obersten Gott, Jupiter, den haben sie auch Himmelsvater genannt«, fährt Gott aufgeregt fort. »Und der war nach Ansicht der Römer für Blitz und Donner verantwortlich.«
    Â»Prima, Oliver«, sagt Frau Wilmer. »Wer kann uns denn noch was erzählen?« Sie blickt in die Runde, wo einige Kinder den Arm heben, um sich zu Wort zu melden.
    Aber Gott ist noch nicht fertig. »Seine Frau hieß Juno, und sie war die Königin der Göttinnen. Aber sie war nicht nur seine Frau, sondern auch seine Schwester!«
    Â»Danke, Oliver«, sagt die Lehrerin, »aber lass uns jetzt auch mal hören, was die anderen zu sagen haben!«
    Eine solche Behandlung ist Gott nicht gewöhnt. Er hebt die Stimme, so dass Er seine Klassenkameradin, die nun an der Reihe ist, übertönt: »Die beiden hatten zahlreiche Kinder: den Kriegsgott Mars, Vulca-«
    Â»Jetzt reicht es aber!« Auf Frau Wilmers Stirn hat sich eine steile Falte gebildet, ihre Stimme klingt schrill. »Oliver, du gehst jetzt sofort raus und wartest dort, bis wir hier fertig sind!« Ihr ausgestreckter Arm weist zur Tür.
    Mit hängenden Schultern schlurft Gott hinaus. Ein paar der Kinder kichern in seinem Rücken. Gott fühlt sich
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