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Der heilige Erwin und die Liebe

Der heilige Erwin und die Liebe

Titel: Der heilige Erwin und die Liebe
Autoren: Jasna Mittler
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haben. Genießerisch schlürft Er einen weiteren Schluck von der warmen Schokomilch und spürt den himmlischen Geschmack des Pfannkuchens auf der Zunge.
    Auch Jesus scheint es gut zu schmecken. Er lädt sich ebenfalls einen Fladen nach dem anderen auf den Teller und experimentiert mit den Geschmacksrichtungen der verschiedenen Aufstriche. Erbses Mundwinkel sind mit Soße verschmiert und ihr Kinn glänzt fettig. Besonders fasziniert ist Jesus von der Süße und Kühle des Apfelmus’, die einen interessanten Kontrast zum warmen Pfannkuchen bilden.
    Â»Jetzt macht aber mal ein bisschen langsamer, ich will schließlich auch noch was abhaben!« In der Stim­me von Erbses Vater schwingt Empörung mit.
    Â»â€™tschuldigung«, sagt Jesus mit vollem Mund und schiebt ihm die letzten zwei Pfannkuchen zu, die noch auf der Servierplatte verblieben sind.
    Die Mutter bemüht sich um einen heiteren Tonfall: »Na, Erbschen, so wie du heute reinhaust, wirst du bestimmt bald wieder einen Wachstumsschub hinlegen!« Dann schaut sie von einem Kind zum anderen. »Woher kennt ihr euch eigentlich?«
    Â»Spielplatz«, sagt Gott schnell zwischen zwei Bissen.
    Â»Schule!«, sagt Jesus im selben Augenblick und tritt unter dem Tisch gegen Olli-Lollis Schienbein.
    Â»Aua!«, macht Gott empört.
    Â»Er ist in der Dritten«, sagt Jesus jetzt aufs Geratewohl. Diesen Satz hat er heute im Schwimmbad von zwei anderen Kindern aufgeschnappt und sich gemerkt.
    Â»Ach, in der Klasse von Frau Berg?« Die Mutter wendet sich interessiert Gott zu.
    Der senkt den Kopf tiefer über den Teller. »Hmmm«, macht Er und lässt es so unbestimmt klingen, dass Erbses Mutter daraus hören können soll, was auch immer ihr passt.
    Bevor sie genauer nachhaken kann, meldet sich Erbses Vater zu Wort: »Ich habe dich schon ein paarmal gesehen. Wohnst du hier in der Straße?«
    Â»Klar, Papa«, ruft Jesus mit Erbsenstimme aus, »gleic h gegenüber, in dem Haus neben der Kneipe!«
    Da verzieht die Mutter das Gesicht, als habe sie statt auf den Pfannkuchen auf ein Stück Zitrone gebissen. »Ach, schrecklich, dieser Laden!«, sagt sie. »Was da immer für Gestalten rumhängen!« Und mit einem mitleidigen Blick auf den Jungen fügt sie hinzu: »Stört dich das denn gar nicht, der Mief und das alles, gleich nebenan?«
    Gott, der endlich den letzten Happen vertilgt hat, schüttelt den Kopf. »Nö, wieso?«, fragt Er.
    Â»Na ja, wir jedenfalls wären froh, wenn die Kneipe endlich dichtmachen würde. Nicht wahr, Ludger?«
    Erbses Vater nickt.
    Â»Die sollten hier lieber ein nettes Café aufmachen«, führt die Mutter weiter aus. »Der Laden läuft doch eh nicht richtig, und so wie sich das Viertel in den letzten Jahren entwickelt hat, passt das auch nicht mehr hierher. Sind doch fast nur noch junge Familien, die hier wohnen, die haben andere Bedürfnisse!« Gott kann bei ­nahe an ihrer Stirn ablesen, wie sie in Gedanken das gesamte Haus von Erwin und Rita umgestaltet. »Mit einer vollverglasten Fassade und sichtbaren Stahlkonstruktionen könnte das richtig schick werden«, murmelt sie gedankenverloren.
    Nach dem Essen nimmt Jesus seinen Vater mit in Erbses Zimmer.
    Â»Aber nur für fünf Minuten!«, hat die Mutter die beiden ermahnt. »Dann muss Lolli nach Hause gehen, es ist schon spät!«
    Kaum hat Gott die Zimmertür hinter sich geschlossen, lässt Er sich schwer in den Sitzsack plumpsen, der in Erbses Leseecke bereitliegt.
    Â»Und, wie gefällt’ s dir?«, fragt Jesus und weist mit weit ausholender Geste auf das Innere des Mädchenzimmers. »Ist doch hübsch, oder?«
    Â»Hmmpf«, macht Gott nur und schenkt der romantisch-verspielten Umgebung keine Aufmerksamkeit. »Erklär mir lieber mal, was der Tritt vorhin sollte!« Theatralisch reibt Er die Stelle am Schienbein, die so unsanft behandelt worden war.
    Â»Das ist es ja, ich muss dir was zeigen!« Die Mädchenstimme klingt aufgeregt. Jesus bewegt Erbses Körper mit einem eleganten Sprung zum Schreibtisch und zieht eine Schublade heraus. Gleich darauf streckt er Gott ein Foto entgegen. Darauf sind viele Kinder zu sehen, irgendwo in einem Park. Sie tragen kurze Kleidung, offensichtlich stammt die Aufnahme aus dem Sommer. »Da ist Erbse«, erklärt Jesus und zeigt auf das Mädchen in der Mitte des Fotos, das dem Betrachter
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