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Der heilige Erwin und die Liebe

Der heilige Erwin und die Liebe

Titel: Der heilige Erwin und die Liebe
Autoren: Jasna Mittler
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wendet sich einem eckigen Apparat zu, der auf dem Kühlschrank platziert ist. Er dreht an einem Knopf und beobachtet, wie sich im nun erleuchteten Inneren des Geräts ein Teller mit Nudeln dreht. Mit dem Teller in der Hand geht er zurück ins Wohnzimmer, wo er sich neben seinen Bruder vor den Fernseher setzt. Den Blick auf das bunte Treiben auf der Mattscheibe gerichtet, schaufelt er das Essen in seinen Mund. Zwischendurch greift er in die offene Chipstüte, die auf dem Sofatisch liegt, und bekommt dafür von seinem Bruder einen Klaps auf die Hand. Seit er zu Hause ist, hat der Junge kein Wort gesprochen. Gott seufzt innerlich. Er wird heute Nacht in diesen Kinderkörper einziehen, wenn Olli-Lolli eingeschlafen ist. Und vielleicht wird es ihm ja neben seiner eigentlichen Mission gelingen, ein bisschen was gegen die Einsamkeit auszurichten, die diesem Kind innewohnt.





esus erwacht früh am nächsten Morgen. Er genießt die Wärme und Behaglichkeit des Bettes. Wenn er sich lang ausstreckt, reichen Erbses Fingerspitzen bis an die Zimmerdecke. Das Hochbett hat ihm gleich gefallen, als er mit dem Mädchen gestern im Kinderzimmer angekommen ist. Neben der Ma­tratze ist eine Kuscheltierparade aufgereiht. Die Teddybären, Tiger, Hunde und Schweinchen blicken ihn aus dunklen Knopfaugen misstrauisch an.
    Jesus lächelt. »Keine Sorge«, flüstert er und wundert sich selbst über die helle Kinderstimme, die aus seinem Mund kommt. »Eurer Erbse geht es gut. Ich habe sie mir nur ein wenig ausgeliehen!« Dann schwingt er sich von seinem Lager und schaltet das Licht an.
    Wie praktisch das doch im Vergleich zu früher ist, denkt er. Zu seiner Zeit gab es nur Fackeln und Kerzen, und von fließendem Wasser im Haus hat man nicht einmal zu träumen gewagt. Aus dem Spiegel an der Kleiderschranktür blickt ihm Erbse entgegen, die Haare noch vom Schlaf verwuschelt, aber ansonsten genau dieselbe wie am Vortag. Dass das Bewusstsein des Mädchens tief in seinem Inneren schläft, lässt sich von außen nicht erahnen. Jesus blickt an sich herunter, streicht den orangeroten Stoff des Nachthemds glatt und freut sich. Erbse zu sein ist einfach prima! Gleich nachdem sie gestern Gott, Erwin und Rita verlassen hatten, ist er mit dem Mädchen nach Hause gegangen. Die Eltern saßen bereits am Tisch. Sie waren freundlich und hörten aufmerksam zu, was Erbse ihnen von ihrem Schultag zu berichten hatte. Das Essen scheint allen dreien sehr gut geschmeckt zu haben. Zu gerne hätte Jesus selbst etwas gekostet, aber in seinem transzendenten Zustand war ihm das natürlich nicht möglich. Jetzt jedoch bemerkt er schon allein beim Gedanken an das Mahl, wie Erbses Bauch zu grummeln beginnt. An dieses Gefühl kann er sich aus früheren Zeiten noch genau erinnern – das ist Heißhunger, Kohldampf, Appetit! Hoffentlich werden die Eltern bald aufwachen und für einen reichgedeckten Tisch sorgen, denkt Jesus. Bisher ist im Haus noch kein Laut zu hören. Dabei hat Erbses Vater gestern Abend nach dem Vorlesen betont, dass sie früh aufstehen solle, Wochenende hin oder her. Er wolle mit ihr im Schwimmbad sein, ehe alle anderen da sind.
    Es klopft, dann wird die Zimmertür geöffnet. »Ach, du bist ja schon auf«, sagt die Mutter überrascht und gibt Jesus einen Kuss auf die Stirn. »Guten Morgen, mein Schatz!«
    Jesus lächelt verlegen und überlegt, was Erbse jetzt wohl tun würde. Sein Blick fällt auf den Kleiderstapel, den das Mädchen gestern Abend auf seinem Schreibtischstuhl zurechtgelegt hat. »Ich komme gleich, ich zieh mich nur schnell an!«, ruft er fröhlich aus.
    Kurze Zeit später sitzt Jesus am Frühstückstisch und lässt sich ein Croissant schmecken. Danach ein Ei, ­einen Joghurt und zwei Brötchen. »Du hast ja heute einen gesegneten Appetit«, sagt der Vater anerkennend, und Jesus grinst über Erbses ganzes Gesicht.
    Erst am Nachmittag, kurz bevor es dunkel wird, treffen Vater und Sohn wieder aufeinander.
    Â»Papa, bist du das wirklich?«, fragt Jesus, als er dem Jungen auf der Straße gegenübersteht.
    Â»Psssst!«, macht der und schaut sich schnell um, ob ihn keiner von Olli-Lollis Brüdern beobachtet. »Weißt du einen Ort, an dem wir ungestört sind?«, fragt Er leise.
    Â»Klar, wir können in den Garten«, sagt Jesus, der nicht aufhören kann, an Erbses Zöpfen rumzuspielen, »da
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