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Der heilige Erwin und die Liebe

Der heilige Erwin und die Liebe

Titel: Der heilige Erwin und die Liebe
Autoren: Jasna Mittler
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Der Mann zieht einen kleinen Handwagen mit Getränkekisten hinter sich her. Die beiden sind in eine aufgeregte Unterhaltung verstrickt.
    Â»Das sind sie«, seufzt Gott gerührt, »meine Menschlein!«
    Jesus nimmt die beiden genauer unter die Lupe. Dass der Mann mal auf der Straße gelebt hat, ist ihm nicht mehr anzusehen. Sein grauer Schnurrbart ist ordentlich gestutzt, und selbst Schal und Mütze scheinen sorgfältig aufeinander abgestimmt zu sein. Die Frau an seiner Seite, Rita, hat ein freundliches, rundes Gesicht. Eine hellblaue Wollmütze schmiegt sich wie eine weiche Wolke um ihren Kopf.
    Ãœberhaupt scheint alles an ihr weich zu sein – die ausgeprägten Lippen, die samtene Haut und ihre Rundungen, die durch den dicken Daunenmantel noch betont werden.
    Früher muss sie sehr hübsch gewesen sein, denkt Jesus. Jetzt sieht man ihr die Jahre an, die sie als Wirtin in der dunklen Kneipe zugebracht hat.
    Â»Hey«, fällt Gott ihm in diesen Gedanken, »auf Rita lasse ich nichts kommen, klar?! Sie ist voller Güte!«
    Das ist der Nachteil am entkörperten Zustand, denkt Jesus. Als Einheit kann man einfach keine Geheimnisse haben. Und er signalisiert seinem Vater, dass ihm der Gedanke von vorhin leidtue und er Rita sehr sympathisch finde. Auch wenn ihr Gesicht gerade wutverzerrt ist.
    Â»Jetzt sag doch gefälligst auch mal was dazu!«, schreit sie Erwin an und versetzt ihm dabei einen Knuff mit der Papiertüte.
    Â»Oh, oh!«, stöhnt Gott auf und übertönt damit das Geräusch des reißenden Papiers, so dass Vater und Sohn nicht hören, sondern nur sehen, wie die Tüte entzweigeht. Im nächsten Moment purzeln Möhren und Lauchstangen auf Ritas Stiefel, Äpfel und Orangen rollen in alle Richtungen über den Gehsteig.
    Rita stehen Tränen in den Augen. »So ein Mist!«, ruft sie und schleudert den nutzlos gewordenen Papierfetzen, der noch an ihrem Handgelenk baumelt, vor Erwins Füße.
    Â»Na großartig«, sagt dieser und geht in die Knie, um das herumliegende Obst und Gemüse einzusammeln.
    Rita lässt ihren Tränen freien Lauf.
    Da gewahren Gott und Jesus ein etwa achtjähriges Mädchen mit Schulranzen auf dem Rücken, das den Gehweg entlanghüpft, wobei es mal nur das eine, dann nur das andere Bein benutzt. Zwei lustige Zöpfe schauen unter einer buntgeringelten Mütze hervor. Als es das Paar entdeckt, bleibt das Kind stehen. Dann bück t es sich nach einigen Orangen und Äpfeln, die im Rinnstein liegen. »Hier ist noch was!«, sagt es und streckt Erwin das Obst entgegen. Das Mädchen betrachtet Rita neugierig.
    Die wischt sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht und versucht ein Lächeln. »Diese dummen Papiertüten«, sagt sie entschuldigend.
    Das Mädchen zieht eine Packung Taschentücher aus seiner Jackentasche und reicht sie ihr. »Mach dir nichts draus, das kann doch jedem passieren!«
    Rita schnäuzt sich die Nase. Das Lächeln gelingt ihr nun schon besser. »Du wohnst hier gegenüber, oder?«, fragt sie.
    Das Mädchen nickt und zeigt auf einen sanierten Altbau. »Da oben, das Zimmer mit der Dachgaube!«, sagt es stolz. »Ich heiße übrigens Pina, aber ihr könnt auch Erbse zu mir sagen.«
    Â»Erbse? Das ist aber ein ungewöhnlicher Name«, sagt Rita und streckt dem Mädchen ihre Hand entgegen, »ich bin Rita.«
    Jesus wird ganz aufgeregt. »Was meinst du?«, fragt er seinen Vater. Das Kindsein hat ihm schon damals auf Erden große Freude bereitet. Und es mal als Mädchen zu versuchen, das wäre doch eine ganz neue Erfahrung!
    Gott gibt sich zögerlich. »Und wen soll ich dann nehmen?« Noch ehe dieser Gedanke im göttlichen Bewusstsein verhallt, fliegt die Tür eines Nachbarhauses auf. Ein dicklicher Junge in Erbses Alter springt auf die Straße hinaus. Als er das Mädchen bei den Erwachsenen entdeckt, bleibt er abrupt stehen.
    Â»Kann ich helfen?«, fragt er und hebt eine verknickte Lauchstange auf, die er an seinem Hosenbein abwischt. Dabei schielt er zu Erbse hinüber, die aber keine Notiz von ihm nimmt.
    Â»Perfekt!«, beschließt Gott, und die göttliche Energie teilt sich auf, um den Kindern zu folgen.





er Junge reicht Erwin die ramponierte Lauchstange, dreht sich um und rennt so unvermittelt los, dass Gott beinahe Schwierigkeiten hat, ihm auf den Fersen zu bleiben. Als
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