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Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition)
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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chaotischen Geldangelegenheiten seines Schützlings mit Umsicht regelte. Denn obwohl Fitzgerald an guten Tagen sehr schnell arbeitete – 1920 prahlte er, eine vierzigseitige Story in der Rekordzeit von elf Stunden geschrieben zu haben –, musste Max Perkins immer wieder Geld vorschießen und tat das, solange die Buchverkäufe irgendeine Aussicht auf Rückzahlung versprachen. Angesichts manch dramatischer Situation im Fitzgerald-Haushalt behielt Perkins die Nerven und lenkte den Schriftsteller stets auf sein Schreiben zurück.
    Zwischen Juni und Oktober 1924 meldet Fitzgerald in mehreren Briefen nach New York die Fortschritte seines Romans. Alles laufe gut, schreibt er, und Perkins könne schon bald mit dem fertigen Buch rechnen. In Wirklichkeit läuft außer dem Schreiben gar nichts. Zelda beginnt eine Affäre mit einem Franzosen, und als dieser die Geschichte beendet, unternimmt sie mit Schlaftabletten einen Selbstmordversuch. Unter diesen äußeren Umständen arbeitet Fitzgerald »wie ein Hund« und schickt das Typoskript des Großen Gatsby Ende Oktober nach New York. In seinem zeitgleich geschriebenen Brief an Perkins bittet er um Tantiemen von 15 Prozent bis zu 50000 verkauften Exemplaren und 20 Prozent darüber, kommentiert den Schutzumschlagentwurf, die Bindung und Ausstattung des Romans. Auf dem Cover möchte er diesmal weder Werbesprüche noch schmeichelnde Zitate der Kritiker sehen. »Ich bin es müde, der Autor von Diesseits vom Paradies zu sein. Ich will von vorn beginnen.«
    Dann, am 14. November – die Fitzgeralds sind inzwischen nach Rom weitergereist –, trifft Max Perkins’ erste Reaktion ein. Er hält den Roman für »ein Wunder«. Der große Gatsby besitze Vitalität, Gedankenreichtum, bisweilen eine mystische Atmosphäre, die hervorragend zum Buch passe. Perkins gratuliert und verspricht eine ausführlichere Würdigung, die sechs Tage später vorliegt. Dieser lange Brief vom 20. November 1924, ein Muster an Begeisterungsfähigkeit, Scharfsinn und Takt, wird entscheidend dazu beitragen, dass aus einem sehr guten Roman ein Meisterwerk wird. Gleich in den ersten Zeilen erwähnt Perkins den zentralen Kunstgriff des Großen Gatsby: die Geschichte aus der Perspektive Nick Carraways zu erzählen, der mehr Beobachter als Handelnder ist und dem Leser dadurch einen privilegierten (aber auch auf besondere Weise beschränkten) Standort verschafft. Der Stil des Buches, seine sinnliche Qualität, die Charakterzeichnung ebenso wie die Brillanz einzelner Szenen, alles zusammen begeistert den Lektor und veranlasst ihn zu der schönen Beobachtung, der Roman verschaffe dem Leser eine Reihe von Erfahrungen, die eigentlich ein dreimal so langes Buch erforderten. Denn es ist ein kurzes Buch, eine Sache von kaum fünfzigtausend Wörtern in neun römisch numerierten Kapiteln, für damalige Verhältnisse also ein sehr schmaler Roman. Seine Szenen, so Perkins, wirkten ungeheuer lebendig, folgten aber so rasch aufeinander wie bei einer schnellen Eisenbahnreise.
    Kürze und enorme Verdichtung charakterisieren den Großen Gatsby. Ein einzelner Satz darin kann das symbolische Gewicht eines ganzen Kapitels tragen. Spätere Generationen haben diese Sätze ausgemacht und sind immer wieder zu ihnen zurückgekehrt wie zu einem kleinen musikalischen Thema, in dem schon die Bedeutung des Ganzen anklingt. Als Nick seinem Freund Gatsby rät, nicht zu viel von Daisy Buchanan zu erwarten, man könne die Vergangenheit nicht wiederholen, da ist einer dieser Augenblicke erreicht, in denen sich in der Wand, die bis dahin sauber tapeziert schien, plötzlich eine geheime Tür öffnet und den Blick in das Innere eines unbekannten Zimmers freigibt. »Die Vergangenheit nicht wiederholen?«, fragt Gatsby ungläubig. »Aber natürlich kann man das!« Da ist es, in fünf Wörtern. Der Glaube, die Vergangenheit wiederholen zu können, die sehnsüchtig begehrte Frau fünf Jahre später doch noch zu erobern und dadurch erst die Verzauberung von damals im vollen Sinn für gültig zu erklären, ist Gatsbys Antrieb. Zumindest der Antrieb des Jay Gatsby, den Nick Carraway für den Leser zeichnet. Auf die Unterscheidung ist noch zurückzukommen.
    Wenige Seiten nach dieser Szene folgen die vielleicht meistzitierten Worte des Romans: »Ihre Stimme klingt nach Geld.« (Her voice is full of money.) Als Gatsby das über Daisy sagt, im siebten Kapitel, zerfällt von einer Sekunde auf die andere der romantische Zauber jener Stimme voller geheimnisvoller
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