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Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition)
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Menschen, die einmal ein Liebespaar waren und jetzt in diesem etwas tristen Wohnzimmer nicht genau wissen, was sie in Zukunft füreinander sein können. Die Buchseiten sind aufgeladen mit Andeutungen, Möglichkeiten und der Angst vor einer furchtbaren, alles besiegelnden Enttäuschung. Beide könnten enttäuscht werden, denn beide befinden sich unter dem Bann einer machtvollen Illusion.
    An Stellen wie dieser hat man Lust, Fitzgeralds Sätze laut zu lesen. Es sind so wenige, und der Autor hat sie mit einer Bewusstheit gesetzt, dass kein Wort überflüssig erscheint. Wie Gatsby sich vor Nick noch einmal aufbläst, um seine Unsicherheit zu überspielen: »Mein Haus sieht gut aus, nicht wahr?« Wie bereitwillig er, der vorhin noch gezittert hat, das Sonnenlicht als Omen seines Sieges als Liebhaber nimmt: »Schauen Sie nur, wie die ganze Fassade in der Sonne leuchtet.« Und dann die Sätze, mit denen er Daisys Erstaunen beantwortet, wie er denn ganz allein in so einer »Riesenvilla« leben könne: »Ich sorge dafür, dass sie Tag und Nacht voller interessanter Leute ist. Voller Leute, die interessante Dinge tun. Berühmter Leute.« Wenngleich jeder dieser Sätze die Selbsttäuschung enthält, der Gatsby am Ende zum Opfer fällt, so schwingt in jedem dieser Sätze doch auch eine Ahnung von wirklicher Schönheit mit, ein Rest unkorrumpierter Sehnsucht und kindlicher Hoffnung. Nur deswegen ist es unmöglich, mit dem Finger auf diese Welt der Reichen zu zeigen und sich routiniert über ihre Malaisen zu erheben. Was ihnen widerfährt, berührt den Leser, weil auch Fitzgeralds Sprache sich davon berühren lässt.
    Und dann treten Gatsby und seine Gäste näher: »Anstatt die Abkürzung am Sund entlang zu nehmen, gingen wir über die Straße und betraten sein Grundstück durch das große Seitentor. In betörendem Flüsterton bewunderte Daisy diese oder jene Ansicht der herrschaftlichen Silhouette vor dem Himmel, bewunderte den Garten, den prickelnden Duft der Jonquillen, den schaumigen Duft der Weißdorn- und Pflaumenblüten, den blassgoldenen Duft der Vergissmeinnicht. Es war sonderbar, am Fuß der Marmortreppe angelangt, keine leuchtenden Kleider zur Tür hinein- oder herausflattern zu sehen und nichts zu hören außer den Vogelstimmen in den Bäumen.«
    Jede Beobachtung in dieser kleinen Passage vermittelt mit schmerzhafter Intensität die Bedeutung des Augenblicks, die wie ein Bleigewicht auf den beiden Liebenden liegt. Wie bezeichnend es ist, gerade jetzt, wo Gatsby erstmals allein mit seiner Luxusvilla zu sein scheint, das Gespensterbild der abwesenden Partygäste aufzurufen, jener Gäste, die wenig später ja tatsächlich verschwunden und nur noch eine gespenstische Erinnerung sein werden! Und unmittelbar davor, beim Blumenbeet, macht Fitzgerald seinen Fehler. Der Fehler ist keine Kleinigkeit: Die Jonquille, eine Narzissenart, blüht im Frühling, Weißdorn im Spätfrühling und die Pflaumenblüte im Frühsommer. Doch wir befinden uns im August. Die Blüten dieser Blumen können um die Jahreszeit, zu der die Szene spielt, nicht blühen. Vor Gatsbys Prachthaus, zu Daisys Ehren, blühen sie trotzdem. Vielleicht sind auch die Jonquillen-, Weißdorn- und Pflaumenblüten schon Gespenster, so unwirklich und künstlich wie Gatsbys überdimensionierte, auf »stilecht« getrimmte Villa. Oder hat ein mächtiger Zauber, den Gatsby für seine Daisy in Gang setzt, die Blumen zur unmöglichen Jahreszeit zum Blühen gebracht? Jede dieser Lesarten hat etwas für sich, und die zweite von ihnen nimmt geradezu eine realistische Tönung an, wenn man wenige Seiten darauf die berühmte Hemdenszene liest. Auch hier zaubert Gatsby, um Daisy zu beeindrucken, einen Regenbogen von Farben hervor und legt seiner wiedergewonnenen Freundin die Symbole des geschmackvollen Luxus, wie sehr viel Geld ihn zu schenken vermag, zu Füßen:
    »Er nahm einen Stapel Hemden heraus und warf sie eins nach dem anderen vor uns hin, Hemden aus reinem Leinen, dicker Seide und feinem Flanell, die sich im Fallen entfalteten und in einem vielfarbigen Durcheinander über den Tisch verteilten. Während wir sie bewunderten, holte er weitere heraus, und der weiche, verschwenderische Haufen wurde immer höher – Hemden mit Streifen, Schnörkeln und Karos, korallenrote, apfelgrüne, lavendel- oder blassorangefarbene mit Monogrammen in Indisch-Blau.« Kann man Daisy verdenken, dass diese Schönheit, die so lebendig erscheint wie die zur Unzeit erblühenden Blüten, sie heftig
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