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Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition)
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Andeutungen, den Nick, der Erzähler, bis dahin aufgebaut hat. Ja, Daisys Stimme klingt nach Geld. Und die Frau, die zu dieser Stimme gehört, dürfte ein kostspieliger Artikel sein. Auch wenn Nick es immer noch nicht begreift und den Tatbestand mit exotischen Vergleichen zerredet, Gatsby muss es immer gewusst haben. Jetzt spricht er es aus, ein Umstand, der in diesem so sparsam instrumentierten Roman, in dem jede Dialogzeile zählt, besonderes Gewicht hat. Geld, nichts anderes, wird am Ende darüber bestimmen, wem Daisy folgt. Und natürlich folgt Daisy dem sicheren Geld, nicht dem unsicheren. Dem geerbten Ostküsten-Reichtum, nicht dem dubiosen Vermögen eines Parvenüs aus dem Mittleren Westen, der selbst als Gastgeber auf seinen eigenen Partys ein Schatten bleibt.
    In seinen Bemerkungen zum Roman lässt Max Perkins keinen Zweifel daran, dass Der große Gatsby bei weitem Fitzgeralds bestes Buch sein wird. Und nicht nur das: Manches an der Schreibtechnik sei völlig neu, ein Lob, das Fitzgerald besonders freut. Doch den größeren Teil seines Briefs nutzt Perkins, um den Autor auf zwei entscheidende Schwächen hinzuweisen: Gatsby sei allzu vage gezeichnet und der Leser erfahre nie, woher Jay Gatsby, der Mann aus dem Nichts, denn seinen fabelhaften Reichtum habe. Perkins schlägt vor, den mysteriösen Titelhelden zumindest körperlich zu beschreiben, um dem Leser einen Eindruck von seinem Alter und seinem Aussehen zu vermitteln. Was die Herkunft seines Vermögens betrifft, rät der Lektor, über die gesamte Länge des Romans diesbezügliche Andeutungen zu streuen. Mehr sei nicht nötig, und erklären dürfe Fitzgerald nichts.
    Es ist genau die richtige Mischung, hier hohes Lob, dort konstruktive Detailkritik. Fitzgerald reagiert begeistert, stimmt den Einwänden zu und geht sofort an die Arbeit. Obwohl er dringend Geld braucht, schlägt er selbst etwas niedrigere Tantiemen vor als bei seinen ersten Büchern, denn er ist dankbar für frühere Vorschüsse des Verlags, die Perkins ohne Zögern gewährt hat. Fitzgerald will nicht feilschen; insgeheim glaubt er daran, dass seine größte künstlerische Leistung finanziell belohnt wird.
    Es passt nicht zum Fitzgerald-Klischee, sich den blonden Engel als pedantischen Wörterverdreher vorzustellen, und manche seiner schriftstellerischen Angewohnheiten scheinen das Image genialischer Sorglosigkeit zu bestätigen. Seine Rechtschreibung etwa blieb immer wacklig, und mit Buchstabenfolgen wie in den Wörtern leisure (das er »liesure« schrieb) oder relieve (»releive«) stand er zeitlebens auf Kriegsfuß. Den Namen seines Freundes Hemingway schrieb er eisern »Hemmingway«. Auch faktische Stimmigkeit war nicht seine Sache; zwar bemühte er sich darum, die Einzelheiten der äußeren Welt, sofern sie in seinen Büchern von Bedeutung waren, korrekt darzustellen, doch auch Der große Gatsby wimmelt von sachlichen Fehlern sowie Irrtümern in der Handlungslogik. Dass Jordan Baker ihrer Freundin Daisy bis zum Beginn der Romanhandlung nie von Gatsby erzählt haben soll, erscheint kaum glaubhaft. Nick kann die Buchanans auch nicht »gleich nach dem Krieg« in Chicago besucht haben, wie er im ersten Kapitel behauptet, denn ihre Hochzeit fand erst im Juni 1919 statt. Und wovon das spontan gekaufte Hündchen von Myrtle Wilson leben soll, wenn Frauchen das Liebesnest, das Tom Buchanan ihr gemietet hat, tagelang nicht betritt, bleibt des Hündchens Geheimnis.
    Manchmal jedoch lässt sich an einem Fehler der Übergang von sturer Faktentreue zu dichterischer Erfindung ablesen. In der Wiederbegegnungsszene zwischen Gatsby und Daisy im fünften Kapitel, auf das Fitzgerald zu Recht stolz war – zu einem Zeitpunkt im Roman, da Daisy noch ganz in die Verheißungen einer weit zurückliegenden Erinnerung gehüllt scheint und ihre Stimme »voll schmerzlicher, wehmütiger Schönheit« ist –, tut Gatsby endlich den sorgfältig vorbereiteten Schritt und zeigt der Angebeteten seine Güter. Er tritt von Nicks bescheidenem Haus mit finnischer Köchin nach nebenan hinüber, um Daisy mit dem Reichtum, den er in der langen Zeit des Sehnens und Wartens angehäuft hat, zu beeindrucken. Fitzgerald braucht diese Szene in der exakten Mitte des Romans unbedingt, es ist, als balanciere er sein Thema für Momente auf der Klinge eines scharfen Messers. Alles trägt zu dieser atemlosen Stimmung bei, Gatsbys komische Nervosität, der Regen, der immerhin gemähte Rasen in Nicks Garten, dann die Fahrigkeit der beiden
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