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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
Autoren: Rachel Neumeier
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und starrte in Tans regloses Gesicht.
    Ihr Vetter trat hinzu und blickte ihr stirnrunzelnd über die Schulter. »Fürst Beguchren sah fast genauso aus, als er …« Er beendete den Satz nicht.
    »Er sagte, es wäre denkbar, dass man seine Kräfte völlig verausgabt«, flüsterte Maianthe.
    »Gerent hat Beguchren damals aus seinem langen Schlaf geholt.«
    Maianthe nickte. »Er hat es mir erzählt. Er sagte jedoch, es hätte nicht nur daran gelegen, dass Gerent ein Magier war, sondern auch daran, dass er zudem sein Freund war.« Tan hatte so lange in Linularinum gelebt und war ein so in sich gekehrter Mensch. Iriene hatte vielleicht sein Knie geheilt, aber sie kannte ihn überhaupt nicht … Niemand kannte ihn. »Beguchren meint, dass dieser Fall vielleicht ganz anders liegt. Er sagte, wir sollten einfach warten«, schloss Maianthe leise.
    Tan war so dünn und blass und schien so kalt … Sie umfasste eine seiner Hände mit ihren beiden. Seine Finger waren kalt wie Eis. Über die Schulter bat sie: »Geroen, würdet Ihr bitte das Feuer stärker anfachen?«
    Der Hauptmann legte wortlos ein Kiefernscheit ins Feuer, sodass sich dessen harziger Geruch mit dem Duft des Geißblatts mischte. Dann sagte er erneut: »Mein Fürst …«
    Bertaud wandte sich ihm zu, eine Braue hochgezogen.
    »Mein Fürst«, wiederholte Geroen in entschiedenerem Ton. »Ich habe einen umfassenden Bericht für Euch angefertigt. Sämtliche angerichteten Schäden … Nur wenig in der Stadt, wenn ich das auch nicht mir selbst zugute halten kann, wie ich sehr gut weiß. Mehr Schäden am Haus.« Er zögerte und fuhr dann fort: »Ich hätte niemals zulassen dürfen, dass diese Linulariner Mistkerle auf unserer Seite des Flusses Fuß fassen, wie ich sehr gut weiß. Alles Ungemach, das wir erlitten haben … Mein Fürst, ich erkenne an, dass es meine Schuld und mein Versagen waren …«
    Maianthe blickte erstaunt auf, ließ aber nicht Tans Hand los. »Das stimmt doch nicht …«
    »Das klingt nun wirklich übertrieben vereinfachend«, erklärte Bertaud in sanftem Tonfall. »Maia, kommst du hier klar? Wirstdu mich sofort benachrichtigen, sofern sich etwas ändert, und dies heute Abend auf jeden Fall tun? Hauptmann Geroen, Ihr müsst mir von allem berichten, was sich in meiner Abwesenheit zugetragen hat.« Er packte den Hauptmann am Arm und drehte ihn sanft zur Tür um. »Ich freue mich wirklich auf Euren Bericht. Seien wir aber nicht zu überstürzt in dem Urteil, wer die Schuld zu tragen hat, ja?« Er führte Geroen hinaus, und die Tür fiel hinter ihnen leise ins Schloss.
    Maianthe vergaß die beiden sofort. Sie beugte sich vor und musterte Tans abgespanntes Gesicht. Er atmete tatsächlich weiterhin. Weitgehend unverändert, hatte Iriene gesagt. Maianthe dachte, dass es ihm schlechter ging: Er wirkte regloser, abgehärmter, kälter.
    Wären sie Personen eines romantischen Epos gewesen, dann hätte sie jetzt am Bett gesessen, während er gänzlich dahinsiechte … So würde es in einem Epos heißen: »dahinsiechte«. Was für eine schreckliche Verschwendung wäre es, wenn Tan tatsächlich dahinsiechen und sterben würde! Bertaud zufolge hatte Jos sie alle gerettet, und natürlich traf das zu; und es traf ebenfalls auf Kes zu, auf Kairaithin und auf den Arobarn sowie, durch die gezeigte Großmut, auch auf Iaor. Und es traf auf Maianthe selbst zu – welch seltsamer Gedanke das war! Mehr als jeder andere jedoch hatte Tan zu ihrer aller Rettung beigetragen, indem er zum Schluss wusste, mit welchem Gesetz die Welt richtig gebunden wurde.
    In einem romantischen Epos hätte sich Maianthe in Tan verliebt, hätte jetzt verfolgt, wie er langsam dahinsiechte, und sich dann vom höchsten Turm des Hauses geworfen, um selbst den Tod zu finden. Nicht, dass selbst der höchste Turm dieses Haus besonders hoch gewesen wäre; außerdem war er von Gärten umsäumt und nicht von Steinpflaster. Wäre sie eine solche Närrin gewesen, hätte sie sich vermutlich nur ein Bein oder sonstetwas gebrochen. So irrten sich die romantischen Erzählungen in allen Einzelheiten.
    Oder beinahe in allen Einzelheiten.
    Ein Magier, der zugleich Freund war, vermochte diese Reglosigkeit aufzubrechen. Maianthe war mit Tan enger befreundet als sonst jemand, aber sie war keine Magierin. Ich habe einfach getan, was mir einfiel, hatte sie zu Bertaud gesagt, und das stimmte auch. Jetzt fiel ihr jedoch nichts ein, und so hätte sie sich über jedes Bedürfnis gefreut, eine Spirale zu zeichnen
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