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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2
Autoren: Alexandre Dumas
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einzutreten? Bist du nicht mehr der Herr, bin ich nicht mehr deine Sklavin?«
    Monte Christo lächelte. »Haidee«, sagte er, »Sie wissen …«
    »Warum nennst du mich nicht mehr du, wie sonst?« unterbrach ihn die junge Griechin. »Habe ich denn irgend etwas begangen?
    Dann mußt du mich bestrafen, aber mich nicht Sie nennen.«
    »Haidee«, antwortete der Graf, »du weißt, daß wir in Frankreich sind und daß du infolgedessen frei bist.«
    »Frei, was zu tun?« fragte das Mädchen.
    »Frei, mich zu verlassen.«
    »Dich zu verlassen …! Und warum soll ich dich verlassen?«
    »Was weiß ich? Wir werden in Gesellschaft gehen.«
    »Ich will niemand sehen.«
    »Und wenn du unter den schönen jungen Leuten, die du triff st, irgendeinen fi nden solltest, der dir gefi ele, so würde ich nicht so ungerecht sein …«
    »Ich habe nie schönere Männer gesehen als dich und nie einen geliebt als meinen Vater und dich.«
    »Armes Kind, weil du eben nur mit deinem Vater und mir gesprochen hast.«
    »Nun, was brauche ich mit andern zu sprechen? Mein Vater nannte mich seine Freude, du nennst mich deine Liebe, und beide nennt ihr mich euer Kind.«
    »Du erinnerst dich deines Vaters, Haidee?«
    Das junge Mädchen lächelte. »Er ist da und da«, sagte sie, indem sie die Hand auf die Augen und aufs Herz legte.
    »Und ich, wo bin ich?« fragte Monte Christo lächelnd.
    »Du«, sagte sie, »du bist überall.«
    Monte Christo nahm die Hand Haidees, um sie zu küssen, aber das Kind zog seine Hand zurück und bot ihm die Stirn.
    »Jetzt, Haidee«, sagte er, »weißt du, daß du frei bist, daß du Herrin, Königin bist; du kannst dein Kostüm behalten oder es ablegen, ganz wie es dir beliebt; du bleibst hier, wenn du willst, und gehst aus, wenn du willst; ein Wagen wird stets für dich angespannt sein; Ali und Myrto werden dich überall begleiten und zu deinem Befehl stehen; nur um eins bitte ich dich.«
    »Sprich!«
    »Bewahre das Geheimnis deiner Geburt, sprich kein Wort über deine Vergangenheit; nenne bei keiner Gelegenheit die Namen deines erlauchten Vaters oder deiner armen Mutter.«
    »Ich habe dir schon gesagt, Herr, daß ich niemand sehen werde.«
    »Höre, Haidee, es ist vielleicht nicht möglich, in Paris ebenso gänzlich abgeschlossen zu leben wie im Orient; fahre fort, das Leben unserer nördlichen Länder kennenzulernen, wie du es in Rom, Florenz, Mailand und Madrid getan hast; das wird dir immer dienlich sein, ob du nun hierbleibst oder ob du in den Orient zurückkehrst.«
    Das junge Mädchen sah mit ihren großen feuchten Augen zu dem Grafen auf und antwortete: »Oder ob wir nach dem Orient zurückkehren, willst du sagen, nicht wahr, Herr?«
    »Ja, meine Tochter«, entgegnete Monte Christo; »du weißt ja, daß ich nie derjenige sein werde, der dich verläßt. Nicht der Baum verläßt die Blüte, sondern die Blüte den Baum.«
    »Ich verlasse dich nie, Herr«, sagte Haidee, »denn ich weiß bestimmt, daß ich ohne dich nicht leben könnte.«
    »Armes Kind! In zehn Jahren werde ich alt und du wirst noch jung sein.«
    »Mein Vater hatte einen langen weißen Bart, das hat mich nicht gehindert, ihn zu lieben; mein Vater war sechzig Jahre alt, und er schien mir schöner als alle jungen Leute, die ich sah.«
    »Aber sage mir, glaubst du, daß du dich hier eingewöhnen wirst?«
    »Werde ich dich sehen?«
    »Alle Tage.«
    »Weshalb fragst du mich dann, Herr?«
    »Ich fürchte, du langweilst dich.«
    »Nein, Herr, denn des Morgens werde ich daran denken, daß du kommen wirst, und des Abends werde ich mich erinnern, daß du dagewesen bist; zudem habe ich, wenn ich allein bin, große Erinnerungen, ich sehe im Geiste wieder ungeheure Gemälde, gro-
    ße Horizonte mit dem Pindus und dem Olymp in der Ferne, und dann habe ich im Herzen drei Gefühle, mit denen man sich nie langweilt: Trauer, Liebe und Dankbarkeit.«
    »Du bist eine würdige Tochter des lieblichen und poesieerfüllten Epirus, Haidee, und man sieht wohl, daß du von jener Familie von Göttern abstammst, die in deinem Land ihre Heimat hat. Sei also ruhig, meine Tochter, ich werde dafür sorgen, daß deine Jugend nicht verloren sein wird, denn wenn du mich wie deinen Vater liebst, liebe ich dich wie mein Kind.«
    »Du irrst dich, Herr; ich liebte meinen Vater nicht so, wie ich dich liebe; meine Liebe zu dir ist anders. Mein Vater ist gestorben, und ich lebe noch; aber wenn du stürbest, würde ich auch sterben.«
    Der Graf reichte dem jungen Mädchen mit einem Lächeln
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