Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der goldene Thron

Titel: Der goldene Thron
Autoren: Katia Fox
Vom Netzwerk:
sah ihren Vater durch einen Schleier von Tränen an und schluckte die Bitterkeit herunter, die ihr die Kehle zuzuschnüren drohte.
    »Ja, Matilda, das muss ich, doch in wenigen Tagen bin ich wieder zurück, und dann nehme ich dich mit zur Jagd!« Er beugte sich hinunter, damit sie ihm einen Kuss geben konnte.
    »Versprochen?«
    »Du hast mein Wort.«
    Matilda jubelte und hauchte einen flüchtigen Kuss auf die stachelige Wange ihres Vaters.
    Er nickte zufrieden und gab ihr einen kräftigen, aber liebevollen Klaps auf das Hinterteil.
    Matilda juchzte und stürmte davon. Vor der Kammer angekommen, stemmte sie den schweren Riegel hoch und warf sich so heftig gegen die mit Eisen beschlagene Eichentür, dass sie laut polternd aufflog. Matilda ließ den Blick rasch durch den kleinen Raum schweifen. Die hölzernen Fensterläden waren geschlossen, dennoch fiel weiches Licht durch die Ritzen in die Kammer. Das Bett mit den dicken waidblauen Vorhängen gegen die Kälte teilte sie sich des Nachts mit ihrer Mutter und seit einer Weile auch mit Lesceline. Sie war die Tochter eines Barons, mit dem Matildas Vater von Kindesbeinen an befreundet war, und sollte in Hinton Waldrist lernen, eine gute Ehefrau zu werden.
    Matildas Blick streifte die wuchtige, mit derben Schnitzereien verzierte Truhe am Fußende des Bettes, in der Kleider und ein Teil ihrer Aussteuer aufbewahrt wurden. Dann warf sie sich auf die mit Wolldecken und Fellen gepolsterte Bettstatt und betrachtete geringschätzig die beiden Armsessel, die von eisernen Kerzenleuchtern flankiert waren. Hier saß ihre Mutter oft und stickte. Sie war eine vollendete Dame, wenn sie wohlauf war, wunderschön und erhaben, nicht so grobschlächtig wie ihre Tochter. Matilda stöhnte. Sie würde nie eine richtige Dame werden!
    Arlette betrat stirnrunzelnd die Kammer.
    Matilda wusste, wie sehr sie es hasste, wenn sich jemand am helllichten Tag auf dem Bett räkelte, und dehnte sich darum betont genüsslich. Es war so leicht, Arlette zur Verzweiflung zu bringen!
    »Deine Mutter wünscht, dass ihr eure Zeit mit etwas Sinnvollem verbringt!« Arlette sah sie vorwurfsvoll an, verlor aber zu Matildas größtem Bedauern kein Wort über die Tatsache, dass sie auf dem Bett lag. »Bis ich wiederkomme, werdet ihr also mit eurer Arbeit fortfahren.« Die Zofe deutete auf die beiden achtlos am Boden liegenden Stickrahmen.
    Feindselig betrachtete Matilda die unterwürfige Lesceline, die mit gesenktem Kopf dastand. Sie war ein wenig älter als Matilda, aber um einiges kleiner, zierlicher und mädchenhafter. Matildas Mutter wies sie erst seit Kurzem in ihre künftigen Aufgaben ein, hielt ihrer Tochter jedoch schon jetzt ständig vor, sie solle sich mehr wie Lesceline benehmen, die bereits eine richtige junge Dame sei. Matilda begriff schnell, konnte bereits recht gut lesen und flink rechnen, doch statt von einem eigenen Haushalt träumte sie davon, mit ihrem Vater und seinen Männern in den Krieg zu ziehen.
    Arlette sah sie streng an. Matilda erhob sich. Es war besser, wenn die Zofe nicht merkte, wie wenig Lust sie zum Sticken hatte.
    Lesceline, die das Kätzchen noch immer fest an sich gedrückt hielt und bislang keinen einzigen Ton über die Lippen gebracht hatte, setzte das zitternde Tier nun auf ein am Boden liegendesKissen und rieb verlegen über die feuchte Stelle, die das nasse Fell auf ihrem leicht zerknitterten, zartgrünen Leinenkleid hinterlassen hatte.
    Arlette strich ihr sanft über das weißblonde Haar. Lescelines Lippen waren blass und schimmerten blau. »Es ist kalt hier, ich werde Feuer machen«, befand Arlette, nahm einen Eisenhaken und stocherte damit in der Glut herum, bevor sie etwas Heu zum Entfachen einer neuen Flamme und ein Scheit trockenes Holz nachlegte. Schon bald begann ein gemütliches Feuer zu knistern und einen würzigen Duft zu verbreiten.
    »Licht braucht ihr noch, damit ihr nicht wieder die Farben des Garns verwechselt«, entschied Arlette mit leicht vorwurfsvollem Unterton und entzündete zwei Kerzen, denn der Wind war zu heftig, um die Läden zu öffnen. »Zwei müssen reichen, das Wachs ist schon wieder teurer geworden«, murmelte sie und nickte zufrieden, als die Mädchen ihre Stickrahmen vom Boden aufsammelten und sich folgsam auf die Stühle setzten. Sie warf einen prüfenden Blick auf ihre Arbeiten, um später ermessen zu können, ob sie vorangekommen waren, und verließ die Kammer. »Seid schön fleißig!«, rief sie ihnen noch zu, bevor sie die Tür hinter sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher