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Der goldene Thron

Titel: Der goldene Thron
Autoren: Katia Fox
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ihn in allen Ehren und in geheiligter Erde bestatten zu können. Seit England unter dem Interdikt stand, durften weder heilige Messen noch kirchliche Beerdigungen durchgeführt werden. Bis zum Ende des vergangenen Jahres waren sämtliche kirchlichen Würdenträger aus England fortgegangen, nur Pierre des Roches, der Bischof von Winchester, war geblieben.
    Guillaume atmete hörbar aus. Warum? Warum lebte John, der ein schlechter Mensch war, und Baudouin, der immer treu und ehrlich gewesen war, hatte schon gehen müssen? An die fünfzehn Jahre jünger als Guillaume war er gewesen und hatte sich stets bester Gesundheit erfreut. Warum hatte der Herr nicht noch ein wenig warten können, bis er ihn zu sich rief? Guillaumes Kehle war schmerzend eng, und sein Herz fühlte sich an, als würde es von der Hand eines Riesen zerquetscht.
    »Lasst mich allein«, bat er.
    Der Bote, die Pagen und Knappen, Diener und Ritter verließen schweigend die Halle. Nur Isabelle blieb bei ihm zurück. Sie ging zu ihm, lehnte den Kopf an seinen Rücken und umarmte ihn.
    »Er war der Beste!«, sagte Guillaume tonlos. Von all seinen Freunden hatte nur Baudouin sowohl Ellen als auch William gekannt, sie geschätzt und sich für sie eingesetzt. Guillaume hatte ihn bei nächster Gelegenheit bitten wollen, seinen Enkel Henry bei sich aufzunehmen und zum Ritter zu erziehen. Wer hätte diese Aufgabe besser erfüllen können als er, sein bester und ältester Freund?
    »Wir müssen …« Er drehte sich um und sah Isabelle flehend an. »Du musst es Alice sagen. Bitte, ich kann nicht!« Er schüttelte verzweifelt den Kopf.
     
    Baudouin hatte ihnen die einzige Tochter, die ihm seine unglückliche Ehe mit Hawise d’Aumale beschert hatte, schon vor Jahren anvertraut, damit Isabelle sie zu einer verantwortungsvollen Hausherrin und guten Ehefrau erzog. Zart war das Kind gewesen, als sie es zum ersten Mal gesehen hatten, damals in der Normandie, nur wenige Monate nach ihrer gemeinsamen Überfahrt zum Festland. Zwei große Lücken hatten in ihrer oberen Zahnreihe geklafft, als sie ihnen in Aumale vorgestellt worden war. Artig geknickst hatte Alice und scheu gelächelt, als ihr Vater sie Guillaume und Isabelle vorgestellt hatte. Ein höfliches Kind war sie gewesen, zurückhaltend und freundlich.
    Voller Freude und Zuneigung hatten sie das Mädchen als ihre zukünftige Schwiegertochter aufgenommen, denn mit der Vermählung ihrer Kinder hatten Guillaume und Baudouin ihre enge Verbundenheit und tiefe Freundschaft besiegeln wollen. Sie hatten in jenen Tagen einen Ehevertrag aufsetzen lassen, der besagte, dass Guillaumes Ältester Alice heiraten sollte, sobald sie alt genug dazu war, und dass, falls er vorzeitig verstarb, sein jüngerer Bruder Richard die Ehe mit ihr eingehen würde.
    Mit den Jahren war aus dem scheuen Kind eine junge Frau mit großen Augen und fast durchsichtig wirkender Haut geworden. Ein wenig kränklich war sie, doch ganz und gar liebenswert, züchtig und fleißig. Guillaume und Isabelle hatten sie ins Herz geschlossen und liebten sie, als wäre sie eines ihrer eigenen Kinder.
    »Sorge dich nicht, Liebster, ich mache das.« Isabelle stellte sich auf die Zehenspitzen, strich ihm über die Schläfe und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
    »Baudouin wäre so gern bei der Hochzeit dabei gewesen!« Guillaume stöhnte verzweifelt auf und schluckte.
    »Ich weiß, Liebster«, sagte Isabelle sanft. »Und ich trauere von ganzem Herzen mit dir!«
    Guillaume nickte, schlang die Arme um sie und drückte sie lange und fest an sich. Er brauchte sie so sehr. Ihre Liebe, ihre Kraft …
    »So viele gute Männer sind schon gegangen, doch kein Verlust schmerzt mich wie dieser«, flüsterte er.
    »Wann immer du mich brauchst, mein Herz, ich bin da, auch wenn ich nicht viel tun kann, um dein Leid zu lindern.«
    Er wusste, dass Isabelle die Qualen, die er durchlitt, vertraut waren, denn im letzten Winter war ihre geliebte Zofe Suzanne gestorben. Isabelle war am Boden zerstört gewesen, hatte nächtelang Totenwache gehalten und herzzerreißend geweint. Viele Wochen nach Suzannes Tod war sie noch niedergeschlagen und schwermütig gewesen.

Mai 1213
    E twas mehr als ein halbes Jahr später hatte der König ihn nicht länger entbehren können und Guillaume, wie so viele andere Barone des Landes, an seine Seite beordert.
    Mit einem Heer von mehr als fünfhundert irischen Rittern war er aufgebrochen, um John zu stärken, der sich in Kent auf einen drohenden Überfall des
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