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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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Eltern, Dreigroschendiplomaten, denen jemand in ihrer Lage kaum noch die Stange halten konnte: »Nein, Mädels, ich weiß, dass ihr zu mir haltet, aber ihr habt nicht recht, Silvius Eltern sind nicht schuld! Sie haben auf ihre Art recht, für mich ist es zu früh, wenn ich schon im dritten Studienjahr ein Kind krieg! Und Silviu hat gerade erst die Aufnahmeprüfung bestanden! Vielleicht willigen sie später in eine Heirat ein, wenn ich das jetzt erledige …«
    Â»Am Sankt Nimmerleinstag willigen die ein! Mit der Personalakte Nana im Kreuz kriegt die Familie Buje kein Auslandsmandat mehr! Die fliegen in hohem Bogen aus dem Ministerium! Ich will nur hoffen, dass sie sich nicht eingebildet hat, der Weihnachtsmann bringt ihr, wenn sie dieses Balg kriegt, einen Bukarester Personalausweis mit Wohnsitz auf der Strada Argentina an der Ausfallstraße zum Flughafen!«, lästerte Domnica, wenn Nana nicht im Zimmer war.
    *
    Ob die allwissende Domnica recht hatte? Was mochte in der Personalakte von Nanas Eltern stehen? Und warum hatte sie nicht einmal uns gegenüber die Zähne auseinandergekriegt und gesagt, dass sie schwanger war? Sie hatte sich selbst zu helfen versucht, heiß geduscht, Chinin geschluckt und war vom Tisch gesprungen, bis die im Zimmer unter uns sich bei der Verwalterin beklagt hatten. Alles umsonst, ihre Tage kriegte sie nicht, und als sie im dritten Monat war, holte das Dekret sie ein. Die Zeitungen waren voller Beiträge, gezeichnet von Juristen und Doktoren, die nachwiesen, wie gesund und richtig es sei, vier Kinder zur Welt zu bringen, und wieder anderen, in denen verbrecherische Ärzte und Hebammen an den Pranger gestellt wurden, die schon illegaler Abtreibungen überführt und eingesperrt worden waren.
    Hatte Nana vielleicht nur deshalb nicht gesagt, wie weit es mit ihr und Silviu gekommen war – wie ja auch ich meine Beziehung zu Petru vor den Mädels verheimlichte –, weil die, wie Marilena sagte, nicht zu uns gehörten ?Immerhin ließ der Pförtner Nana eines Morgens rufen, sie sollte vors Wohnheim gehen, da wartete jemand in einem Dienstwagen auf sie.
    Wir alle kletterten aufs Fensterbrett, es fehlte nicht viel, und wir wären hinuntergepurzelt, wir stießen uns gegenseitig an, doch die arme Nana eilte schon die Treppen hinunter, sie konnte uns nicht sehen. Wir waren uns alle im Klaren, das da unten musste die Genossin Buje sein, Silvius Mutter, diese Matrone, die in zyklamfarbenen spitzen Schuhen mit hohen, unter ihren prallen Waden sich biegenden Absätzen einem Riesenautomobil mit dem Kennzeichen MAE entstieg. Sie hatte platinblondes Haar, einen etwas zu kurzen Rock, der über ihren Schenkeln spannte, eine blumige Seidenbluse mit vielen Zyklamtönen und Rüschen, die über einem üppigen Busen flatterten. Im vollen Licht der Sonne glitzerte das Gold an ihren Händen und an ihrem Hals herauf bis zu uns, in den vierten Stock.
    Obwohl Nana alles ausgeliehen hatte, was es in unserem gemeinsamen Kleiderschrank an ansehnlichen Klamotten gab (Marilenas Übergangsmantel, Domnicas grünes Jerseykostüm und meine hochhackigen Schuhe), sah sie an der Seite der Genossin Buje aus wie eine Dienstmagd, die man mit den silbernen Löffeln im Busen erwischt hatte.
    Â»â€¦Â diese Karikatur von einer Schwiegermutter, nur ein goldener Nasenring fehlt ihr noch«, fasste Marilena zwei Stunde später unser Geläster zusammen.
    Nana, die gerade mit dem Handtuch über dem Kopf von der Dusche kam, sah sie an, ohne ein Wort zu sagen, ging schweigend zu ihrem Bett, stellte ihren kleinen Spiegel auf das Nachtschränkchen und begann sich zu kämmen. Erst als sie ihre Haare Strähnchen für Strähnchen auf die Papierschnipsel wickelte, tat sie den Mund auf, wahrscheinlich hatte sie die ganze Zeit darüber nachgedacht, wie sie uns über denselben fahren sollte:
    Â»Ihr verfluchten Hexen! Was wollt ihr eigentlich, soll sie denn herumlaufen wie ihr, Stroh im Kopf, Stroh auf dem Kopf? Sie muss eben von Berufs wegen gut aussehen«, sagte sie mit weicher, ausdrucksloser Stimme.
    *
    Solche Sprüche hatte sie immer drauf, bat uns aber zugleich, ihr den Gürtel enger zu schnallen, wenn wir zu den Vorlesungen gingen, damit man ihr Bäuchlein nicht sah, und als keine von uns mehr dazu bereit war, weil wir fürchteten, es könnte schiefgehen, wenn sich das Kleine schon regen sollte, schnallte sie ihn
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