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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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selber.
    Â»Können wir, hast du dein Geschirr umgeschnallt?«, versuchte Marilena zu witzeln.
    Doch das war zu dick aufgetragen, keinem war nach Lachen zumute. Zumindest kotzte sie nicht mehr wie am Anfang und kam irgendwie durch die Prüfungen, gerade so. Sie schlief schlecht, wir hörten, wie sie sich die ganze Nacht herumwälzte und hin und wieder, den Schlafrock über das Nachthemd geworfen, auf Zehenspitzen aus dem Zimmer schlich und erst nach einer Stunde zurückkam. Einmal, als ich mit meinen Mühlen im Kopf selbst nicht einschlafen konnte, ging ich ihr nach. Wir hockten beide mit dem Rücken zum Heizkörper am Ende des Gangs und schwatzten, irgendwann konnte sie nicht mehr an sich halten und heulte los, rückte aber nicht mit der Sprache heraus.
    Als wir in die Ferien fuhren, teilte Nana ihre Kleider, in die sie eh nicht mehr passte, unter uns auf. Nicht für immer, wenn uns etwas gefiel, sollten wir es ruhig tragen, aber keine Flecken hineinmachen. Sie mied unsere Blicke, während sie uns flüsternd mitteilte, Silvius Eltern hätten eine Unterkunft für sie gefunden, sie würde den Sommer über in Bukarest bleiben, sie würden nach der Geburt heiraten und sie würde, komme, was wolle, an die Fakultät zurückkehren. Wir aber sollten alles geheim halten, denn ihr Stiefvater habe ihr in seiner Heidenangst, zum Gespött des Dorfes zu werden, verboten, mit dem Balg im Arm zu erscheinen, den sie mit einem Rotzlöffel gezeugt habe. Sie oder Silviu würden uns noch anrufen, je nachdem, wie und wann es halt ginge, denn als Untermieter hätten sie kein Telefon, keinesfalls aber sollten wir die Familie Buje belästigen.
    Aber wie Domnica es vorausgesagt hatte, als wir unter uns waren, kam von Nana die ganzen Ferien über kein Zeichen. Sollte Marilena, ihre beste Freundin, sich noch mit ihr getroffen haben, dann alle Achtung, die ließ sich überhaupt nichts anmerken.
    Unter den Professoren schien kein einziger zu wissen, weshalb Nana das Semester erst einen Monat später als wir, im November, antrat. Ich habe auch keine Ahnung, wie sie mit den Hexen im Sekretariat zurechtgekommen ist, jedenfalls stand ihr Name nicht auf den Listen derjenigen, die wegen unentschuldigten Fehlens relegiert worden waren, ob da die Genossin Buje die Hand im Spiel hatte? Im Anwesenheitsregister führten wir sie als krank, und wenn jemand nach ihr fragte, beeilte sich Marilena zu sagen, sie sei in einem Lungensanatorium und werde in einem Monat wiederkommen.
    Den Blicken nach zu urteilen, die hin und her schwirrten, wusste man aber um ihr Geheimnis.
    *
    Nanas Name stand nicht unter den zum Herbstsemester Relegierten, dafür hing die Liste mit den zwanzig Heimbewohnerinnen, die wegen Prostitution der Fakultät verwiesen worden waren, so lange am Schwarzen Brett, bis sie vergilbt war. Zwei, drei Wochen bevor sie dort angebracht wurde, erfuhr ich von dem Gerücht über ein Album mit nackten Weibern, unter denen die Gäste einer Tanzveranstaltung in der Stadt wählen konnten. Ich weiß nicht, wer die Sitzung mit Anwesenheitspflicht beim Rektorat, auf der die Relegation beschlossen wurde, »Affenprozess« genannt hat nach dem gerade im Scala laufenden Film Inherit the Wind und der rumänischen Übersetzung des Titels – doch der Name sollte bleiben.
    Der »Affenprozess« fand, glaube ich, im Oktober statt, denn als wir, geblendet vom weichen Licht des Altweibersommers, aus dem Scala traten, sammelte Marilena Geld und kaufte drei weiße, krausblättrige Chrysanthemen. Wir versteckten sie dann in einer Tasche, es wäre zu blöd gewesen, mit Blumen zu einer solchen Sitzung zu erscheinen.
    Gegen Abend, als wir es endlich hinter uns hatten, waren die Chrysanthemen genauso schlaff wie wir. Ich warf meine in einen Müllkorb am Boulevard 6 Martie, worauf Marilena und Domnica beide auf mir herumhackten: »Wieso hast du sie weggeschmissen? Wir hätten sie in ein Glas gestellt, und bis morgen wäre sie zu sich gekommen! Was bist du bloß für eine Frau, dass du keine Blumen magst?«
    Ich erwiderte, ihnen gehe es ja gar nicht um die Blumen, sondern um das Geld, das sie dafür ausgegeben hatten, und sie sollten nur bis zum Samstag warten, da komme sicher irgendeiner mit einem Strauß wie ein Kohlkopf, und der sei dann umsonst. Ich war selbst nicht so sicher, dass ich recht hatte, aber die Anspannung aus der Sitzung ließ nicht
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