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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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Laken, die sich wie Stränge um mich winden, herumwerfen und mir die Zuneigung ins Gedächtnis rufen, die ich Petru bislang abgerungen habe. Ich werde mit mir kämpfen im Strudel der Hoffnungsleere, die mir zeigt, dass ich nach und nach, unmerklich, Millimeter für Millimeter, ins Leben eintrete. Ich werde mich mit fest verschränkten Armen schützen und mir einreden, dass mir die nächsten Tage, an denen ich ihn ganz bestimmt nicht mehr besuchen werde, unfehlbar Abstand von ihm bringen werden. Ich werde mich lösen von der Unruhe, die mich plötzlich befällt, wenn ich durch die Straßen in der Nähe seiner Wohnung gehe, von der Unmittelbarkeit, mit der mir seine Nummer einfällt, wenn ich irgendwo ein Telefon sehe. Mag sein, dass sein Name, den ich irgendwann zufällig höre oder auf einem Buchumschlag lese, vielleicht auch nur ein laufender Fernseher, wo sein Gesicht in dem streifig flimmernden Wasser des gestörten Bildschirms auftaucht, mir plötzlich den Atem verschlagen wird. Er wird mich dann mit seinen förmlich blickenden Augen festnageln, aber ich werde ihn wiederfinden in seiner gemessenen Handbewegung, genauso verkrampft wie unter meinem unerbittlichen Blick. Es wird eine Sekunde geben, in der er vergisst, dass er beobachtet wird, und am Zucken seines traurig schlaffen Mundes werde ich ihn plötzlich als einen anderen erkennen. Ein tiefsitzendes Empfinden verschwörerischer Gemeinsamkeit könnte mich dazu verleiten, meine Vorsicht und mein Kalkül fahren zu lassen. In den folgenden langen Tagen werden mich Sehnsucht und Zweifel heimsuchen, bis ich bereit sein werde, den ersten Schritt zu tun und ihn anzurufen. Ich werde nichts anderes tun können, als alles möglichst lange hinauszuzögern, bis ich schließlich mit feuchten Händen nach einer verirrten Münze tasten und mich vergewissern werde, dass niemand in der Nähe des Telefons ist, woraufhin ich wählen werde, getrieben von der Unruhe und dennoch viel zu traurig, als dass ich mich noch wirklich fürchten könnte. Doch zu dem Zeitpunkt, wenn meine Finger über die Wählscheibe fahren, wird er, wie ich vermute, nicht zu Hause sein. Das lange, von Stille unterbrochene Klingeln in einem leeren Zimmer wird mir den gleichbleibenden Rhythmus seines Lebens bestätigen, den ich so fürchte. Wie über einen Sieg werde ich traurig lächeln und irgendwann spät den Hörer wieder einhängen.
    Bis ich dann, wie ich mir gesagt habe, eines Tages in einer Welt ohne Schmerz erwachen werde. Es wird Sommer sein, und die Bäume werden atmen im Wind und beinahe unmerklich ihre glänzenden schweren Blätter wiegen. Vor so viel Grün rundum geblendet, werden meine Augen zwinkern und sich unter den warm schmeichelnden Sonnenstreifen schließen. Was immer bis dahin auch geschehen mag, die Stadt wird sich noch lange gleich bleiben, und jeder wird darin selbstgewissen Schrittes seinen Weg gehen, ohne abzuweichen.

Kapitel XXIV
    D as leicht gedunsene Gesicht kündete von etlichen überflüssigen Kilos, das altjüngferliche Kostüm war für das Zeitalter des Mini viel zu lang, die Dauerwelle viel zu kraus, das war Nana, als wir uns zu Beginn des ersten Semesters kennenlernten. Sie wirkte damals älter als jetzt, zehn Jahre später, als sie durch mich ihren späteren Mann kennenlernte. Den ersten? Den zweiten? Ich werde es nie erfahren.
    Eine Zeitlang noch drehte sie in dem Zimmer, das vom Geruch der vielen Körper, der Niveacreme und der Essensreste erfüllt war, ihre Haare jeden Abend auf Lockenwicklern aus Stoffresten ein, die sie von daheim mitgebracht hatte. Später dann nahm sie stattdessen Papierschnipsel aus alten Vorlesungsheften. Doch wie sehr hatte sie sich in der Zwischenzeit verändert! Sie hatte abgenommen, ihre kürzeren Röcke und hohen Absätze brachten die elegante Linie ihrer Beine zur Geltung, und die stets geschminkten Augen beherrschten das immer kleiner werdende Gesicht.
    Nana war für Klatsch und Tratsch kaum zu haben, und wenn man aus dem Zimmer ging, konnte man sicher sein, dass sie nichts Böses über einen sagen würde. Aus Aufrichtigkeit? Biederkeit? Phantasielosigkeit? Scheinheiligkeit? Was sie aber im Zimmer für eine Energie entfalten konnte, um diesen pickligen Milchbubi Silviu, den sie wer weiß wo in der Stadt beim Tee aufgegabelt hatte, gegen unsere Vorwürfe zu verteidigen! Ja sogar seine dünkelhaften
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