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Der gestreifte Spanier (German Edition)

Der gestreifte Spanier (German Edition)

Titel: Der gestreifte Spanier (German Edition)
Autoren: Marion Pletzer
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gewünscht ein Huhn zu sein, Valerie“, sagte Clarissa und hockte sich neben mich.
    „Du kannst sprechen?“ Vor Verblüffung vergaß ich den Schock über meine Verwandlung.
    „Was dachtest du denn?“, antwortete sie.
    „Menschen! Ihr wisst gar nichts“, krächzte Perle verächtlich von der Sitzstange herunter.
    „Das stimmt nicht. Ich gebe euch alles, was ihr braucht. Einen sauberen Stall, ein herrliches Freigelände, nur das beste Futter.“
    „Ha! Als ob das reichen würde.“ Perle wackelte mit dem federlosen Kopf.
    „Valerie sorgt wirklich gut für uns. Vor meiner letzten Mauser, nein, Moment – es war die Mauser davor. Oder doch die letzte?“, schwatzte Flo.
    „Flo, der Wurm wartet nicht“, drängte Perle.
    „Ja, egal, jedenfalls quetschte man mich mit drei anderen in einen Käfig, der nicht größer war als eins unserer Legenester. Freilauf? Nicht in meinen schönsten Träumen. Dem Korn sei Dank hat Valerie mich da rausgeholt. Kinder, Kinder, ich könnt euch Sachen erzählen.“ Während Flo so vor sich hin plapperte, scharrte sie wohl zehn Mal an derselben Stelle.
    „Ja, ja. Wir kennen die Geschichte. Dennoch bin ich völlig deiner Meinung.“ Clarissa nickte.
    „Da spricht Valeries Liebling. Erinnert sich denn keiner mehr an Henni und Rolf? Na?“ Fragend sah Perle in die Runde. „Plötzlich waren sie verschwunden. Wir haben sie nie wieder gesehen.“
    „Genau, genau!“, riefen ein paar andere.
    „Bleib bei der Wahrheit, Perle. Henni wurde von Habicht erwischt und Rolf war krank.“ Clarissa schüttelte sich. „Schleichender Hühnertod. Also hack nicht auf Valerie herum.“ Sie zupfte an meinen Federn. „Leb dich erstmal ein. Perle ist ein wenig aufbrausend, aber sie beruhigt sich schnell.“
    „Einleben?“ rief ich mit schriller Stimme.
    Clarissa wandte sich zur Tür. Eilig folgte ich ihr nach draußen. Mit Perle wollte ich ungern alleine bleiben.
    Von den riesigen Bäume und der Weite des Himmels überwältigt, blieb ich stehen. So musste sich Gulliver im Land der Riesen gefühlt haben.

    Auf einmal dröhnte Trompeten in meinen Ohren. Die Gänse hatte ich ja völlig vergessen. Den Hals lang vorgestreckt, watschelte Swiss auf mich zu. Aus seinem geöffneten Schnabel drangen bedrohliche Zischlaute. Seine Familie blieb dicht hinter ihm.
    Mein Gott, Raptoren!
    So schnell die Hühnerbeine mich trugen, flüchtete ich unter den nächsten Busch.
    Zu meiner Erleichterung folgten die Gänse mir nicht. Sie senkten die Köpfe und zupften Gras.
    „Benutze deine Flügel. Dann geht es schneller“, riet Clarissa, die ebenfalls das Weite gesucht hatte.
    „Daran muss ich mich erst gewöhnen. Ganz schön gefährlich hier.“
    „Du meinst Swiss? Ach, nein. Der bewacht nur seine Weiber. Habicht, der will dir an den Kamm.“
    Richtig, den gab es ja auch noch. Erschreckt suchte ich den Himmel nach seiner Silhouette ab.
    Clarissa deutete mit dem Kopf Richtung Stall. Perle hockte auf dem Blechdach, reckte den dünnen Hals und bewegte ihren Kopf aufmerksam in alle Richtungen. Hübsch sah sie aus mit dem fransigen Gefieder, das wie eine feine Spitzengardine an ihrem Körper herabfiel.
    „Von da oben sieht sie ihn rechtzeitig. Wenn sie Alarm gibt, musst du allerdings fix sein. Sonst schlägt Habicht dir seine Krallen in den Rücken, ehe du einmal gackern kannst.“
    Ich schluckte und spürte sofort einen brennenden Schmerz im Kreuz. Die Beine gaben unter mir nach.
    Von dem geschützten Platz aus beobachtete ich das geschäftige Treiben im Auslauf. Sonnenstrahlen fanden ihren Weg durch die Blätter. Wohlig grub ich mich ein wenig tiefer in die warme, lockere Erde, rubbelte genüsslich die Federn und alle Ängste lösten sich in Nichts auf.
    Nach dem ausgiebigen Sandbad schritt ich beschwingt über die Wiese. Der Boden federte. Insekten tanzten vor meinem Schnabel. Wie von selbst schnappte ich danach und eine Fliege verschwand in meinem Kropf.
    Gar nicht mal schlecht.
    Unvermittelt blieb ich stehen.
    „Konzentriere dich, Valerie! Schwelge nicht im Müßiggang“, sagte ich zu mir selbst.
    Während ich versuchte, mir über meine Situation klar zu werden, lenkte mich eine volltönende, gurrende Stimme ab.
    „Hübsches Küken.“ Die Brust herausgestreckt und die Flügel gespreizt, scharrte Artus im Boden, so dass die Erde in alle Richtungen flog.
    Zugegeben, er war schon ein fescher Bursche. Das üppige Gefieder glänzte wie polierte Lackschuhe und der blutrote Kopfschmuck ließ bestimmt so manches
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