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Der gestreifte Spanier (German Edition)

Der gestreifte Spanier (German Edition)

Titel: Der gestreifte Spanier (German Edition)
Autoren: Marion Pletzer
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sagte sie und stellte Tassen, Milch und eine Schale Gebäck auf den Tisch. „Im Gegenteil, sie hat die Gabe. Ihr Name ist Marleni.“
    „Das ist Marleni?“ Mein Kopf ruckte hin und her. „Ich dachte, Sie…? Wer sind denn Sie? “
    „Ich bin Andrea Kunstmann. Marlenis Assistentin, wenn Sie so wollen.“
    Ein Huhn als Traumdeuterin? Das wurde ja immer besser. Es fiel mir schwer, kein selbstzufriedenes Grinsen aufzusetzen.
    „Eine ungewöhnliche Art der Therapie“, erwiderte ich stattdessen mit unschuldigem Lächeln.
    „Nun, man muss seiner Ratio schon eine Pause gönnen. Einfach einmal etwas zulassen, das sich nicht mit dem Verstand erklären lässt. Setzen Sie sich neben Marleni. Der Kaffee müsste jetzt fertig sein.“ Erneut verschwand sie im Haus.
    Ein wenig unheimlich war mir dieses Huhn schon. Und so setzte ich mich ans äußere Ende der Bank und behielt es im Blick.
    Die Sonne ließ das rotbraune Gefieder glänzen und die Augen golden aufleuchten. Marleni schaute mich an. Ich fühlte mich begutachtet und abgeschätzt. Unbehaglich rutschte ich hin und her.
    Mit gurrenden Geräuschen ordnete Marleni ihr Brustgefieder. Immer wieder unterbrach sie diese Tätigkeit, um mich anzusehen. Sicher dauerte es höchstens zwei Minuten bis Andrea Kunstmann mit der Kaffekanne zurückkam. Doch mir kam es deutlich länger vor mit einem hellseherischen Huhn als Tischnachbarin.
    „Was führt Sie denn zu uns?“, fragte Andrea Kunstmann, nachdem sie den Kaffee eingeschenkt hatte.
    „In letzter Zeit träume ich immer wieder von einem Mann. Er ist mein Nachbar“, sagte ich.
    „Um welche Art Traum handelt es sich?“
    Ich räusperte mich. „Einen erotischen“, sagte ich zögerlich, als wäre es mir peinlich, darüber zu reden. „Dabei ist dieser Mann ganz schrecklich. Nie würde ich mich für den interessieren. Doch dieser Traum kehrt immer wieder. Und das Schlimmste. Ich habe auch noch Zwillinge von ihm.“ Insgeheim entschuldigte ich mich bei Annemarie für den Missbrauch ihrer geheimsten Sehnsüchte. Da berührte etwas mein Bein. Ich zucke zusammen. Doch Marleni kletterte unbeirrt auf meine Oberschenkel. Ich machte mich steif, hielt die Arme seitlich des Körpers, um sie nicht zu berühren und lehnte mich so weit zurück wie die Lehne es zuließ.
    „Sie nimmt Kontakt zu Ihnen auf. Bleiben Sie locker“, sagte Andrea Kunstmann.
    Marleni sah mich an. Das Gold ihrer Augen wurde so dunkel, dass es kaum noch einen Kontrast zur Pupille bildete. Dann gackerte sie. Hühnerverhalten war mir fremd, dennoch fand ich, es klang ärgerlich; richtig wütend sogar. Marleni gackerte weiter. Ihre Kehllappen schlabberten und ihr Kopf ruckte hektisch vor und zurück. Dann hüpfte sie, unterstützt von zwei Flügelschlägen, auf den Tisch. Lief zwischen den Tassen hindurch und ließ sich schließlich auf den Schoß ihrer Besitzerin sinken. Andrea Kunstmann schloss die Augen. Ihre Hände glitten über das Rückengefieder und sie bedankte sich leise bei Marleni. Ihr strenger Blick traf mich.
    „Frau Weller, bitte gehen Sie!“
    „Äh, wie?“
    „Sie sind nicht ehrlich. Marleni sieht alles, Marleni spürt alles.“
    Hitze stieg in mir hoch. Mein Körper fühlte sich an wie nach einem zu heißen Saunagang.
    „Bitte!“ Mit dem Arm deutete Andra Kunstmann Richtung Tür. „Wir lassen uns nicht gerne täuschen.“
    Entschuldigungen murmelnd, verließ ich eilig das Haus. Meine monatliche Kolumne handelte dieses Mal von der völlig unterschätzten Intelligenz unserer Haushühner und der Frage, ob Brathähnchen noch zeitgemäß seien.

D er Duft des Haares

    „Banjo, komm! Spazieren!“, rief Angelika.
    Banjo hob den Kopf, trippelte in den Flur und blieb wie angewurzelt stehen. Er reckte die Nase, schnüffelte und seine eben noch fröhlich aufgestellten Ohren fielen herunter. Angelika roch nicht nach würziger Erde und Tannennadeln, sondern nach Abgasen und fremden Menschen. In dieser Kleidung ging sie niemals in den Wald.
    Eine Vorahnung überfiel ihn.
    Im Zeitlupentempo drehte er sich um. Das Versteck unter der Couch war nicht weit.
    „Banjo, steh!“ Schneidend kam der Befehl aus Angelikas Mund. Er gehorchte. Seine Flanken zitterten, als Angelika die Leine in das Halsband hakte.
    „Stell dich nicht so an“, sagte sie.
    „Der ist nicht blöd. Glaub mir, der weiß, was ihm blüht.“ Frank kam aus der Küche. „Armer Bursche.“
    Banjo schaute in Franks Gesicht. Von ihm erwartete er keine Hilfe.
    „Unsinn! So schlimm ist es nicht“,
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