Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gestreifte Spanier (German Edition)

Der gestreifte Spanier (German Edition)

Titel: Der gestreifte Spanier (German Edition)
Autoren: Marion Pletzer
Vom Netzwerk:
Katastrophe!“ Annemarie stürmte an mir vorbei, kaum dass ich die Haustür geöffnet hatte.
    In der Küche stellte sie die Senseo an. Schlürfend floss der Kaffee in die Tasse. Einen Spitzer Milch dazu, zwei Löffelchen Zucker und stöhnend ließ sie sich auf einen Stuhl fallen. Ihr erwartungsvoller Blick traf mich.
    „Was hast du denn geträumt?“, fragte ich pflichtschuldig.
    „Errätst du nie. Ich hatte einen erotischen Traum.“
    „Na und? Den hatten wir alle schon mal.“ Ich zuckte mit den Schultern.
    „Aber nicht mit Friedwart!“
    „Du liebe Zeit, nein!“ Friedwart langweilte einen bestimmt sogar im Schlaf zu Tode.
    „Aber Träume sind unerfüllte Sehnsüchte. Ich sags ja, Katastrophe“, wiederholte Annemarie und rollte mit den Augen.
    „Anne, ich bitte dich. Nimm das nicht so wichtig.“
    „Das war ja längst nicht alles.“ Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. „Er hat mir ein Kind gemacht. Genau genommen, zwei. Zwillinge.“
    „Traut man ihm gar nicht zu, wenn man ihn so sieht. Auf der Straße. Hand in Hand mit seiner Mutter“, sagte ich und setzte mich ihr gegenüber an den Tisch.
    „Ich könnte zur einer Traumtherapeutin gehen. Kürzlich habe ich so eine Anzeige in der Rundschau gelesen.“
    Erst wenige Wochen zuvor hatte Annemarie ihre Wohnung von einem Wünschelrutengänger prüfen lassen. Seitdem steht die Küche im Schlafzimmer und ihr Bett in der Küche. Genau in dem Raum, unter dem die Badezimmerrohre verlaufen. Im Vergleich dazu wäre eine Traumtherapeutin eindeutig eine Steigerung.
    „Dieser Traum muss eine Bedeutung haben“, sagte Annemarie.
    „Ganz einfach. Du bist diese ständig wechselnden Beziehungen leid und sehnst dich nach einer eigenen Familie.“
    „Aber ich kenne keine Männer, die eine Familie gründen wollen. Was, wenn mein Unterbewusstsein mehr in Friedwart erkennt als sein Äußeres hergibt? “, unterbrach sie meine stümperhafte Traumdeutung.
    „Quatsch! Du bist hübsch, du bist nett. Du findest einen. Friedwart ist nur Double, ganz sicher nicht Hauptdarsteller. Macht dreißig Euro.“ Ich hielt ihr die offene Hand hin und auf einmal stand die Idee für meine Kolumne. „Sei nicht böse. Aber ich habe Abgabetermin und noch keine Zeile geschrieben.“ Sobald sich die Tür hinter Annemarie geschlossen hatte, durchsuchte ich die Kleinanzeigen der Tageszeitung. In der Samstagsausgabe wurde ich fündig.
    Träume – geheime Wünsche, Sehnsüchte, Lebenshilfe. Vertrauen Sie Marlenis Gabe.

    Marleni. Der Name sagte schon alles. Eine Art frühe Christine Neubauer im Sari. Sofort vereinbarte ich einen Termin.

    Am nächsten Tag hielt ich vor einem der Einfamilienhäuser in der ruhigen Siedlung.
    Im Vorgarten nickten die Köpfe einer Gruppe Glockenblumen in gleichmäßigem Rhythmus. „Kunstmann“ stand auf dem selbstgetöpferten Schild neben der Haustür. Ich schellte. Eine junge Frau öffnete mir. Ihr modischer Kurzhaarschnitt gab ihr ein jungenhaftes Aussehen. Ihr Händedruck war fest und sie wirkte kein bisschen indisch.
    Sie bat mich herein und ich folgte ihr durch den Flur ins Wohnzimmer. Keine Räucherstäbchen verpesteten die Luft, keine Buddhas grinsten mich an. Genau genommen sah es aus wie bei mir Zuhause. Beim Anblick des Gartens entschlüpfte mir ein beeindrucktes „Oh!“, gefolgt von: „Fantastisch. Wie heißt Ihr Gärtner?“
    „Kunstmann.“ Sie lachte fröhlich. „Der Garten ist meine größte Freude. Sehen Sie sich ruhig um.“
    Ich schlenderte umher. Versteckt von ein paar Büschen, scharrten in einem kleinen Gehege drei bunte Hühner und ein Hahn geschäftig im Boden.
    „Das macht doch sicher eine Menge Arbeit“, sagte ich, nachdem ich den kurzen Rundgang beendet hatte.
    „Ich finde es herrlich, mit den Händen in der Erde zu graben. Es erdet mich im wahrsten Sinne des Wortes. Das ist für meine Arbeit sehr wichtig. Möchten Sie einen Kaffee oder lieber etwas Kaltes?“
    Ohne zu überlegen, entschied ich mich für Kaffee.
    „Ich bin gleich wieder da. Nehmen Sie doch Platz.“ Sie deutete auf die hölzerne Sitzgruppe, die unter einer Linde stand. Ich schlenderte darauf zu. Gerade als ich mich setzen wollte, bemerkte ich ein Huhn. Völlig entspannt hockte es auf der Bank.
    „Sie mag lieber Menschen als Hühner.“ Mit einem Tablett auf den Händen kam Kunstmann den Plattenweg entlang. Wie zur Bestätigung gluckste das Huhn, schüttelte den Kopf und sank wieder in sich zusammen.
    „Komisches Huhn“, sagte ich.
    „Ganz und gar nicht“,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher