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Der Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag

Titel: Der Gesellschaftsvertrag
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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vortrefflich sein. Ich leugne es; man möge mir erst solche ausgezeichnete Truppen zeigen, denn ich für meine Person kenne wenigstens keine. Man wird mir die Kreuzzüge nennen. Ohne die Tapferkeit der Kreuzfahrer in Abrede zu stellen, will ich nur bemerken, daß sie nicht Christen, sondern vielmehr Soldaten der Priester, Bürger der Kirche waren; sie schlugen sich für deren geistiges Reich, das sie, man weiß nicht wie, in ein weltliches umgewandelt hatten. Recht betrachtet, war es ein Rückfall ins Heidentum; da das Evangelium keine Nationalreligion stiftete, so ist unter Christen jeder heilige Krieg unmöglich.
    Unter den heidnischen Kaisern waren die christlichen Soldaten tapfer; alle christlichen Schriftsteller versichern es, und ich glaube es gern; es war ein Wetteifer der Ehre gegen die heidnischen Truppen. Sobald die Kaiser Christen geworden waren, hörte dieser Wetteifer auf, und als erst das Kreuz den Adler verdrängt hatte, war es mit der römischen Tapferkeit für immer zu Ende.
    Lassen wir jedoch die politischen Betrachtungen beiseite und kommen wir auf das Recht zurück, um die Grundsätze in einer so wichtigen Angelegenheit festzustellen. Das Recht, das der Gesellschaftsvertrag dem Staatsoberhaupte über die Untertanen gibt, erstreckt sich, wie gesagt, nicht über die Grenzen des Gemeinwohles hinaus. [Fußnote: »In der Republik«, sagt der Marquis d'Argenson, »ist jeder in dem, was dem andern nicht schadet, vollkommen frei.« Dies ist ein für allemal die Grenze; man kann sie nicht genauer ziehen. Ich konnte mich nicht des Vergnügens erwehren, dieses Manuskript bisweilen anzuführen, obgleich es dem Publikum unbekannt ist, um dem Andenken eines berühmten und hochgeachteten Mannes, der sich noch als Minister ein echtes Bürgerherz und richtige und gesunde Anschauungen über die Regierung seines Landes bewahrte, Ehre zu erweisen.] Die Untertanen sind dem Staatsoberhaupte mithin nur insoweit Rechenschaft über ihre Ansichten schuldig, als sich dieselben auf das Gemeinwesen beziehen. Für den Staat ist es allerdings von großer Wichtigkeit, daß sich ein jeder Bürger zu einer Religion bekennt, die ihn seine Pflichten liebgewinnen läßt. Die Glaubenssätze dieser Religion gehen dagegen den Staat und dessen Glieder nur insofern etwas an, als sie die Moral und die Pflichten betreffen, die der Gläubige gegen andere zu erfüllen hat. Sonst kann jeder glauben, was er will, ohne daß dem Staatsoberhaupte das Recht zusteht, sich danach zu erkundigen, denn da er in der andern Welt keine Befugnis hat, so braucht er sich um das Los seiner Untertanen in dem zukünftigen Leben nicht zu kümmern, wenn sie nur in dem irdischen gute Bürger sind.
    Es gibt demnach ein rein bürgerliches Glaubensbekenntnis, und die Festsetzung seiner Artikel ist lediglich Sache des Staatsoberhauptes. Es handelt sich hierbei also nicht eigentlich um Religionslehren, sondern um allgemeine Ansichten, ohne deren Befolgung man weder ein guter Bürger noch ein treuer Untertan sein kann. [Fußnote: Als Cäsar bei der Verteidigung des Catilina den Satz von der Sterblichkeit der Seele aufzustellen suchte, verloren Cato und Cicero zu seiner Widerlegung die Zeit nicht mit philosophischen Erörterungen, sondern begnügten sich, den Nachweis zu liefern, daß Cäsar als schlechter Bürger spreche und eine dem Staate verderbliche Lehre aufstelle. In der Tat hatte der römische Senat auch nur hierüber und nicht über eine theologische Streitfrage zu entscheiden.] Ohne jemand zwingen zu können, sie zu glauben, darf der Staat jeden, der sie nicht glaubt, verbannen, zwar nicht als einen Gottlosen, wohl aber als einen, der den Gesellschaftsvertrag verletzt, der unfähig ist, Gesetze und Gerechtigkeit aufrichtig zu lieben und im Notfalle sein Leben seiner Pflicht zu opfern. Sobald sich jemand nach öffentlicher Anerkennung dieser bürgerlichen Glaubensartikel doch als Ungläubiger aufführt, verdient er den Tod; er hat das größte aller Verbrechen begangen, er hat vor den Gesetzen falsch geschworen.
    Die Dogmen der bürgerlichen Religion müssen einfach, gering an Zahl und bestimmt ausgedrückt sein und keiner Auslegungen und Erklärungen bedürfen. Das Dasein einer allmächtigen, weisen, wohltätigen Gottheit, einer alles umfassenden Vorsehung; ein zukünftiges Leben, die Belohnung der Gerechten und Bestrafung der Gottlosen, die Heiligkeit des Gesellschaftsvertrages und der Gesetze, das sind die positiven Glaubenssätze. Was die negativen anlangt,
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