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Der Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag

Titel: Der Gesellschaftsvertrag
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Einweihungen und zu allerlei bloßen Förmlichkeiten fortwährend verschwendete, so war zu befürchten, daß sie im Falle wirklicher Not weniger Scheu erwecken würde und man sich daran gewöhnen möchte, ein Amt, das man nur zu leeren Feierlichkeiten verwandte, auch nur als einen leeren Titel zu betrachten.
    Gegen das Ende der Republik gingen die jetzt vorsichtiger gewordenen Römer mit der Diktatur ebenso sparsam um wie vorher verschwenderisch. Es ließ sich leicht einsehen, daß ihre Befürchtung unbegründet war, daß gerade die Schwäche der Hauptstadt ihre Sicherheit gegen die in ihr weilenden Obrigkeiten ausmachte, daß ein Diktator in gewissen Fällen die öffentliche Freiheit verteidigen, aber nie antasten konnte, und daß die Ketten Roms nicht in Rom selbst, sondern in seinen Heeren geschmiedet wurden. Der geringe Widerstand, den Marius dem Sulla und Pompejus dem Cäsar leistete, bewies klar, was man von der rechtmäßigen Macht im Innern gegen Gewalt von außen erwarten konnte.
    Dieser Irrtum war die Quelle großer Fehler. So war es zum Beispiel ein Mißgriff, daß bei der catilinarischen Verschwörung kein Diktator ernannt wurde; denn da nur das Innere der Stadt und höchstens eine oder die andere Provinz dabei im Spiele war, so hätte ein Diktator durch die schrankenlose Gewalt, die die Gesetze ihm einräumten, die Verschwörung leicht beseitigt, während sie ohne die Ernennung eines solchen nur durch ein Zusammentreffen glücklicher Zufälle, auf die menschliche Klugheit nie hätte rechnen können, erstickt wurde.
    Statt dessen begnügte sich der Senat, den Konsuln seine ganze Gewalt zu übertragen, woher es kam, daß Cicero, um mit Erfolg zu handeln, gezwungen war, diese Gewalt in einem Hauptpunkte zu überschreiten, und daß man ihn, wenn man seine Handlungsweise auch unter den ersten Aufwallungen der Freude billigte, in der Folge wegen des gegen die Gesetze vergossenen Bürgerblutes mit Recht zur Rechenschaft zog, ein Vorwurf, den man gegen einen Diktator nicht hätte erheben können. Aber die Beredsamkeit des Konsuls riß alles mit fort, und da er selbst, obgleich ein Römer, seinen eigenen Ruhm mehr liebte als sein Vaterland, so suchte er zur Rettung des Staates nicht sowohl das gerechteste und sicherste Mittel, als vielmehr ein solches, das ihm die meiste Aussicht zu gewähren schien, allen Ruhm in dieser Sache allein davonzutragen. [Fußnote: Darauf konnte er sich keine Rechnung machen, wenn er einen Diktator vorschlug, da er nicht wagen durfte, sich selbst zu ernennen, und nicht sicher war, daß sein Kollege ihn ernennen würde.] Auch wurde er mit gutem Grunde als Befreier Roms geehrt und mit ebenso gutem Grunde als Übertreter der Gesetze bestraft. So glänzend seine Zurückberufung auch war, so kann sie eigentlich doch nur als eine Begnadigung betrachtet werden.
    Auf welche Weise dieser wichtige Auftrag auch erteilt werden möge, stets kommt es darauf an, seine Dauer auf einen sehr kurzen Zeitraum zu beschränken, der nie verlängert werden darf. Die entscheidenden Krisen, die seine Einführung erforderlich machen, enden binnen kurzem mit dem Untergange oder der Rettung des Staates, und über das dringende Bedürfnis hinaus wird die Diktatur tyrannisch oder unnütz. Obgleich die Diktatoren in Rom nur auf sechs Monate ernannt wurden, legten die meisten ihr Amt schon vorher nieder. Wäre der Zeitraum länger gewesen, so wären sie vielleicht in Versuchung geraten, ihn noch weiter auszudehnen, wie es die Dezemvirn mit ihrer einjährigen Amtsdauer machten. Der Diktator hatte nur Zeit, die ihm gestellte Aufgabe zu erfüllen; es fehlte ihm aber die Zeit, an andere Pläne zu denken.

7. Kapitel
Von der Zensur
    Wie die Darlegung des allgemeinen Willens durch das Gesetz geschieht, so geschieht die Kundgabe der öffentlichen Meinung durch das Zensoramt. Die öffentliche Meinung ist eine Art Gesetz, für die der Zensor das Werkzeug ist, und das er nach dem Beispiel des Fürsten nur auf besondere Fälle anwenden darf.
    Das Zensoramt ist also nicht der Herr der Volksmeinung, sondern ihr Dolmetscher, und sobald es sich von ihr entfernt, sind seine Entscheidungen nichtig und wirkungslos.
    Es ist fruchtlos, die Sitten eines Volkes von den Gegenständen seiner Verehrung zu unterscheiden, denn sie beruhen auf demselben Grundsatz und gehen notwendigerweise ineinander über. Bei allen Völkern der Erde ist es nicht die Natur, sondern die Meinung, die über die Wahl ihrer Vergnügungen entscheidet. Man bringe den
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