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Der Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag

Titel: Der Gesellschaftsvertrag
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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so beschränke ich sie auf einen einzigen, die Unduldsamkeit. Sie ist eine Eigentümlichkeit der von uns verworfenen Religionsformen.
    Wer die bürgerliche und kirchliche Unduldsamkeit voneinander unterscheidet, irrt sich meiner Ansicht nach. Beide sind unzertrennlich. Es ist unmöglich, mit Leuten, die man für verdammt hält, in Frieden zu leben; sie lieben hieße Gott hassen, der sie bestraft. Es bleibt keine andere Wahl, als sie zu bekehren oder zu peinigen. Überall, wo kirchliche Unduldsamkeit herrscht, muß sie notwendigerweise auf die bürgerlichen Verhältnisse Einfluß ausüben«, [Fußnote: Die Ehe hat zum Beispiel, als ein bürgerlicher Akt, auch bürgerliche Folgen, ohne die die Gesellschaft unmöglich bestehen kann. Nehmen wir nun an, daß es der Geistlichkeit gelänge, sich allein das Recht zur Abschließung des Ehevertrages anzueignen, ein Recht, das sie in jeder unduldsamen Religion sicherlich an sich reißen wird, liegt es dann nicht auf der Hand, daß sie durch rechtzeitige Geltendmachung der kirchlichen Gewalt die des Fürsten vollkommen aufheben wird, da ihm nur so viele Untertanen bleiben werden, als ihm die Geistlichkeit freiwillig läßt? Allein dazu befugt, die Leute zur Verehelichung zuzulassen oder von ihr auszuschließen, je nachdem sie dieser oder jener Glaubensrichtung folgen, dieses oder jenes Bekenntnis annehmen oder verwerfen, und je nachdem sie ihr mehr oder weniger ergeben sind, wird dann nicht sicherlich die Geistlichkeit, sobald sie nur klug und beharrlich verfährt, allein über Erbschaften, Ämter, Staatsbürger, ja über den Staat selber entscheiden, der bei einer Zusammensetzung aus lauter Bastarden gar nicht bestehen könnte? Allein, wird man mir einwenden, dann wird man doch dagegen als einen groben Mißbrauch Verwahrung einlegen, gerichtliche Schritte tun, Beschlüsse fassen, das weltliche Einkommen der Geistlichkeit mit Beschlag belegen. Wie jämmerlich! Besitzt die Geistlichkeit wenn auch nicht gerade Mut, so doch nur gesunden Menschenverstand, so wird sie alles seinen Weg gehen lassen, wird ruhig Verwahrung einlegen, gerichtliche Schritte tun, Beschlüsse fassen, das weltliche Einkommen mit Beschlag belegen lassen, und wird schließlich doch die Herrschaft in der Hand behalten. Es ist meines Bedünkens kein großes Opfer, wenn man einen Teil hingibt, sobald man sicher ist, das Ganze als Beute zu erhalten.] und sobald sie den gewonnen hat, ist das Staatsoberhaupt nicht mehr Staatsoberhaupt, nicht einmal im Weltlichen; von dem Augenblick an sind die Priester die wahren Herren, und die Könige nur noch ihre Diener.
    In der Gegenwart, wo es keine ausschließliche Nationalreligion mehr gibt noch geben kann, muß man alle Religionen dulden, die die anderen dulden, sobald ihre Dogmen den staatsbürgerlichen Pflichten nicht widerstreiten. Wer sich aber zu sagen erdreistet: außer der Kirche gibt es kein Heil, der muß aus dem Staate verwiesen werden, wofern nicht der Staat die Kirche, und der Fürst der Hohepriester wäre. Ein solches Dogma steht nur mit einer theokratischen Verfassung im Einklang; in jeder andern ist es verderblich. Der Grund, aus dem Heinrich IV. zur katholischen Kirche übergetreten sein soll, müßte jeden anständigen Mann und namentlich jeden denkenden Fürsten zum Austritt aus ihr bestimmen.

9. Kapitel
Schluß
    Nachdem ich die wahren Grundsätze des Staatsrechts festgestellt und mich bemüht habe, dem Staate durch sie eine feste Grundlage zu geben, würde nur noch übrigbleiben, ihn durch seine äußeren Beziehungen zu stützen, was jedoch ein Eingehen auf das Völkerrecht, den Handel, das Kriegs- und Eroberungsrecht, das öffentliche Recht, auf Bündnisse, Unterhandlungen, Verträge usw. erfordern würde. Allein dies alles bildet ein neues, für meinen beschränkten Blick zu weites Feld; ich hätte ihn überhaupt nicht so weit hinausrichten sollen.

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