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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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jetzt wieder nicht glauben konnte und doch glauben wollte, trotz Krieg und Martyrium, trotz der Gewalt, die seiner Maria Christina angetan worden war, trotz der Plünderungen, Schändungen, Erschießungen und Bombardierungen.
    Brenski konnte den Wagen noch von der Straße in einen Waldweg leiten, in dichtes Eichengestrüpp, bevor der Motor verstummte, denn der Benzintank war leer.
    Brenski war schon zweihundert Kilometer gefahren, aber er hatte noch eine weite Strecke vor sich. In der Ferne schimmerten die Türme und Dächer von Valladolid, das schon längst im Machtbereich Francos lag. Die Stadt flimmerte im Dunst der mittäglichen Hitze, und in glaspapierfarbenen Schwaden stieg sie in das Blau auf, das wie ein weitgespanntes kosmisches Zeltdach über Kastilien hing.
    Brenski schulterte das Gewehr, steckte ein Dutzend der Dynamitpatronen in den Brotbeutel, der zusammengekrumpelt unter dem Fahrersitz gelegen hatte und noch einen Kanten Käse und ein halbes Brot enthielt, nahm die Feldflasche vom Nebensitz, die dort der vorherige Fahrer, offenbar vom Luftangriff überrascht, vergessen hatte, schloß die Tür des Wagens, machte sich auf den Weg quer durch den Wald, in Richtung Westen.
    Es war ein leichtes Gehen durch den lichten Wald, und Brenski glitt durch die Haine und über die Lichtungen, als habe er in seinem Leben nichts anderes getan; aber hatte er das nicht schon in seiner Jugend gelernt, von Ajax, daß er mit der instinktiven Vorsicht eines Tieres ausschritt, auch wenn er schnell vorankam?
    Am Abend erreichte er einen Hang, dahinter ging es hinab durch hohe Ginsterstauden zu einer Straße. Ein Dorf saß wie das Nest einer der hellbraunen spanischen Glucken auf dem staubigen Weg, und er konnte das Ortsschild entziffern: BATA DE DUERO.
    Unten beim Duero.
    Die Freude ließ seinen Mund trocken werden.
    Er war schon in der Nähe des Douros, wie er in Portugal hieß, jenes Flusses, an dem die reichsten Weindomänen Südeuropas lagen, allerdings – und hier hörte die Freude auf – jenseits der Grenze. Und er wußte, daß er die Grenze nach Portugal nicht ohne weiteres passieren konnte. Die portugiesischen Grenzer waren seit Francos Siegen dazu übergegangen, alle Flüchtlinge, vor allem die ohne richtige Papiere, zurückzuschicken, und, im schlimmsten Fall, sogar zu verhaften und direkt an die Francisten auszuliefern.
    Nein, das war kein Weg für ihn. In Spanien kannte er sich aus, er beherrschte die Sprache, aber Portugiesisch konnte er nur radebrechen. Er würde dort drüben keinen Tag unentdeckt überleben. Nicht er allein. Er mußte den harten Weg nach Santiago wählen, das hieß noch über zweihundert Kilometer nach Nordwesten wandern, diesmal durch das Gebiet der Falangisten, denn das hatte er längst erreicht; am Nachmittag hatte er eine nationalistische Streife auf der Straße gesehen und gewußt, daß er wieder einmal unbemerkt die Front passiert hatte.
    Er setzte sich in den Schatten einer Steineiche und schaute auf das Dorf hinunter. Heute nacht würde er sich dort unten neue Vorräte stehlen müssen und dann weitermarschieren, in der Dunkelheit, in der Nähe der Straße.
    Er betrachtete das Gelände genau und stellte fest, daß eine Nebenstraße oberhalb von Baja de Duero direkt nach Nordwesten führte. Was er von der Landkarte Spaniens her auswendig wußte, mußte sie auf die Sierra Cabrera zu führen, deren braunbucklige Gipfel jetzt schon in dem verklärenden Glanz der der Nacht zusinkenden Sonne einen goldenen Schimmer bekamen. So friedlich sah dies alles aus, das Dorf unter ihm, die Straße, über die nur ein paar Hunde und ein paar Hühner stöberten, eine Frau im Garten hinter einem Haus, die Kichererbsen zu einem Brei in der irdenen Schüssel zerstampfte, die auf ihrem Schoß ruhte. Die Wälder, der Himmel, die Berge dort drüben. Frieden, Frieden schien alles zu singen, selbst die Vögel sangen davon, die mit ihren letzten Flügen schwarze, flinke Goya-Striche in den Himmel malten.
    Frieden.
    Und so weit weg. Überall lauerte die Gefahr. Wie jetzt dort unten. Brenski ließ sich tief ins Gras gleiten, auf dem Rücken, lud das Gewehr durch, legte sich dann wieder in Stellung hin.
    Aus der Nebenstraße, für die er sich eben noch so interessiert hatte, kam ein Trupp Soldaten, Nacionales. Es waren Marokkaner unter dem Kommando eines weißen Offiziers. In ihrer Mitte führten sie drei gefesselte Gestalten in ärmlichen Anzügen, Bauern ganz offensichtlich.
    Der Trupp marschierte bis in die Mitte
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