Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn
Autoren: Birgit Fiolka
Vom Netzwerk:
griechischen Gesellschaft – nur auf eine andere Art.
    Sie waren, um ihre scheinbare Eigenständigkeit zu erhalten, vollkommen davon abhängig, den Männern möglichst lange zu gefallen.

Wie konnte sich das Phänomen der Hetären überhaupt entwickeln?
    Das Skurrile am Hetärenwesen ist der Umstand, dass es nur funktionieren konnte, weil es eben jene ehrbaren Gattinnen, Töchter und Schwestern gab, die ein extrem zurückgezogenes Leben führten – sprich, die vollkommen unterdrückte und rechtelose Frau.
    Schon früh wurde die Prostitution staatlich anerkannt und geregelt, denn es war nahezu unmöglich, dass ein Mann eine Frau zu Gesicht bekam, die nicht seine Gattin, seine Schwester, seine Mutter oder seine Tochter war bzw.
    in einem anderen engen verwandtschaftlichem Grad zu ihm stand. „Mann“ konnte auch kaum darauf hoffen, eine unverheiratete Frau zu Gesicht zu bekommen, wenn man zu einem gemütlichen Abendmahl bei Freunden eingeladen war. Die Frauen der Familie wurden unter Verschluss in den Frauengemächern gehalten, wo sie allein unter sich speisten. Frauen lebten derart zurückgezogen, dass es bereits als unehrenhaft galt, ihren Namen in der Öffentlichkeit zu erwähnen. Sprach ein Mann also von einer Frau, so sagte er in etwa: „Die Gattin des Soundso bzw. die Schwester oder Tochter des Soundso ... , meine Gemahlin, die Tochter des ...“. Den Namen einer Frau nannte man nur, wenn man ihre Ehrlosigkeit hervorheben wollte. (So wird z. B. Neairas Namen von Apollodoros in der Anklagerede ca. fünfzig Mal offen ausgesprochen.) Frauen wurde auch keine Bildung zuteil. Sie heirateten früh (oftmals im alter von 13 oder 14 Jahren), gebaren Kinder und lebten zurückgezogen im Haushalt des Mannes. Die ehrenvollste Beschäftigung für eine gehobene Athener Bürgerin war das Wollspinnen, und viel mehr als das Haus sahen diese ehrbaren Frauen in ihrem Leben wohl nicht.
    Ein Mann, der sich zudem an eine verheiratete Frau heranmachte oder auch an eine unverheiratete Tochter oder Schwester eines anderen Mannes hatte mit schweren Strafen zu rechnen. So konnte der gehörnte Ehemann oder auch der beleidigte Vater oder Bruder (also der Vormund) ihn entweder ohne bestraft zu werden auf der Stelle töten oder ihn vor Gericht zerren, wo er dann mit dem allseits gefürchteten Rettich bestraft wurde - für die meisten Männer wohl ein allzu hohes Risiko für ein Schäferstündchen.
    Huren waren meist die einzige Möglichkeit sexueller Kontakte für unverheiratete Männer, zumal Männer erst spät heirateten (wenn sie über 30 Jahre alt waren). Huren konnte man für wenig Geld beliebig kaufen, Gattinnen heiratete man und zeugte mit ihnen Kinder ... doch wo blieb dabei der Reiz?
    Hier kamen die Hetären ins Spiel. Mit ihnen zeigte man sich öffentlich, besuchte Feste und schätzte sogar ihre Schlagfertigkeit. Nicht selten buhlte man um sie, prügelte sich mit Konkurrenten und ging langfristige Beziehungen mit ihnen ein (wenn man es sich finanziell leisten konnte).
    Kurzum – Hetären machten das männliche Leben bunter und aufregender. Man konnte all das mit ihnen tun, was mit der Gattin daheim nur sehr beschränkt möglich war (bis hin zu der Tatsache, dass man mit ihnen anspruchsvollere Gesprächsthemen aufgreifen konnte, als mit der eigenen Ehefrau). Oftmals beschwerten sich Gattinnen darüber, dass ihre Männer ihre Hetären schmückten und aushielten, an ihnen jedoch herumgeizten. Man gab den Hetären die Schuld, die Männer verhext zu haben. Das Ausmaß der Hetärenverehrung und das Buhlen um die Hetären ging tatsächlich in einigen Fällen sehr weit – aus Mangel an verfügbaren weiblichen Reizen und weil sie im Gegensatz zur Käuflichkeit der Huren und der willfährigen Ehefrau die einzige Herausforderung in der vollkommen patriarchal strukturierten Gesellschaft darstellten.
    Abschließend möchte ich anmerken, dass es sicherlich Ausnahmen gab – Gattinnen, die ihre Männer betrogen, Hetären, in die sich ein Mann verliebte, sodass er ihr auch im Alter die Treue hielt und somit ihren Unterhalt sicherte, Gattinnen und Gatten, die einander in Liebe zugetan waren ... was ich in diesen kurzen Absätzen darstellen wollte war das Grundschema der gesellschaftlichen Stellung der Frau und der Hetäre in der antiken griechischen Gesellschaftsordnung.

Glossar
    Aeropag
    ein Felsen im Zentrum von Athen,  auf dem in der Antike der höchste Rat, ebenfalls Aeropag genannt,  tagte
    Agora
    Das Zentrum einer altgriechischen Stadt,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher