Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gerechte

Der Gerechte

Titel: Der Gerechte
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
schaute, wie wir auf ihn zugingen. Er sagte nichts, beobachtete die Mühle und sprach erst, als wir neben ihm standen, wobei sich Janet schüttelte, als wäre ein heftiger Kälteschauer über ihren Körper geflossen.
    »Hast du etwas gesehen?«
    »Nein, John, gar nichts. Es blieb alles still. Es ist verdammt ruhig. Zu ruhig für meinen Geschmack. Auch dort, wo das einsame Licht brennt, konnte ich keine Bewegung erkennen.«
    »Es ist seine Wohnung«, flüsterte Janet. »Dort oben hat er immer gestanden und über das Land geschaut.«
    »Sie auch?«
    »Ja.«
    Ich schwieg und schaute mir die Mühle aus der Nähe an. Ihre gewaltigen Flügel zeigten Anzeichen von Verfall und Zerstörung. Sie waren gekippt und sahen aus wie ein riesiges, überdimensionales Kreuz. Die Spanten und Sprossen innerhalb der einzelnen Flügel hatten ebenfalls der langen Zeit Tribut zollen müssen. Viele von ihnen waren verfault, hatten sich gelöst und hingen wie alte, braune Hautfetzen herab, die soeben noch gehalten werden konnten.
    Die Windmühle bot ein unheimliches Bild, obwohl ich sie als ein normales Bauwerk betrachten mußte.
    Natürlich fiel das neue Fenster auf. Es war ziemlich hoch. Meiner Ansicht nach mußte es von der Decke bis zum Boden reichen. Wer davor stand, besaß tagsüber einen wunderbaren Blick über das Land. Die drehbare Windmühlenhaube, die sich dort befand, wo sich die Flügel in der Mitte trafen, schien eingefroren zu sein. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß sich hier alles noch einmal bewegen würde. Wieder schaute ich gegen das Fenster.
    Leer und kalt kam mir der Ausschnitt vor. Licht, das auf mich wie eine Warnung wirkte, nur nicht näher zu kommen.
    Die Windmühle machte auf mich einen abweisenden, ja schon feindseligen Eindruck.
    So sah es auch mein Freund Suko. Er schüttelte den Kopf und meinte dabei: »Die ist nicht gut, John, die gefällt mir ganz und gar nicht. Von ihr strömt etwas Unheimliches ab. Ich kann es nicht in Worte kleiden, aber es ist so.«
    »Richtig.«
    »Unheimlich war sie mir nie«, sagte Janet. »Ich fand sie immer faszinierend.«
    »Jetzt auch noch?«
    »Nein, nicht mehr.«
    »Okay, gehen wir.« Ich wollte nicht mehr lange hier stehenbleiben und die Windmühle anstarren. Wir waren gekommen, um einen Fall zu lösen, um den Gerechten zu stellen. Da konnten wir nicht hier nur rumstehen.
    »Ich gehe mit!« Janet hakte sich mit beiden Händen in meiner Ellbogenbeuge fest. »Glauben Sie nur nicht, daß ich hier draußen warte. Ich kenne mich ja aus und kann Ihnen den Weg zeigen.«
    Ich sagte ihr nicht, daß wir den auch selbst finden konnten, aber wenn sie wollte, okay – wir konnten sie nicht davon abhalten. Sollte sie uns begleiten.
    Sie stand zwischen uns. Wir hörten sie atmen. Vor ihren Lippen dampfte der Nebel. Sie bewegte die Augen, rieb sie und nickte sich selbst zu. Dann war sie es, die uns zog.
    Genau da geschah es.
    Zuerst hörten wir ein Ächzen, als wäre ein Mensch in der Nähe, der unter einer wahnsinnig schweren Last zu leiden hatte, die er schleppen mußte. Das Ächzen drang aber nicht aus dem Maul eines Menschen und auch nicht aus dem eines Ungeheuers, es wehte uns von vorn entgegen und verwandelte sich in ein heftiges Knarren.
    Das hatte seinen Grund.
    Die Flügel drehten sich!
    ***
    Wir standen da und staunten. Eine geisterhafte Kraft hatte das mächtige Flügelgebilde in Bewegung gesetzt, und wahrscheinlich war dies zum erstenmal seit Jahren geschehen, denn auch Janet konnte sich nicht daran erinnern, wie sie uns flüsternd versicherte. Sehr langsam wuchteten sich die schweren Flügel nach rechts.
    HUSCH!
    So hörte es sich an, als der erste in Bodenhöhe an uns vorbeiwischte. Wir gingen etwas zurück, denn wir hatten gleichzeitig gesehen, daß sich auch die losen Sparren im Gefüge der Flügel bewegten. Es würde sicherlich nicht lange dauern, bis sich einige von ihnen lösten und auf uns zuwirbelten.
    Das passierte auch.
    Etwas flatterte heran.
    Dabei sah es aus wie ein Stück Stoff. Rechts neben uns landete es auf dem Boden. Das dabei entstehende Geräusch bewies uns, daß es sich nicht um Stoff handelte, sondern um Holz. Durch den Aufprall aber zerbrach es auf dem Boden.
    HUSCH!
    Wieder passierte uns ein Flügel.
    Wir spürten den kalten Luftzug.
    Die Flügel drehten sich immer schneller. Sie erinnerten an die starren Arme eines Riesen, der es nach langer Zeit endlich geschafft hatte, aus seinem Schlaf zu erwachen, und er war froh darüber, sich endlich bewegen zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher