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Der Gerechte

Der Gerechte

Titel: Der Gerechte
Autoren: Jason Dark
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aber ich kam nie an ihn heran. Er hat sich bei mir nie ausgeweint, sein Herz ausgeschüttet, von seinen Problemen geredet. Dabei gab es sicherlich genug, was ihn quälte oder bedrängte.«
    Suko nickte. »Kann ich mir vorstellen.«
    Ich lauschte dem Gespräch nur mit einem halben Ohr. Meine Blicke glitten nach wie vor durch die Frontscheibe in die Dunkelheit hinein und in die Richtung, wo die Mühle liegen mußte.
    Das Land kam mir vor wie ein schwarzer Teller. Die Hügel waren nicht zu sehen. Sie verschwanden in der Schwärze der Nacht. Nicht einmal Buckel zeichneten sich ab.
    Dabei war es nicht so finster, aber der Mond leuchtete nur sehr bleich. Sein Licht sickerte in die Tiefe, und es schien den Erdboden kaum zu erreichen.
    Unheimlich war es…
    Vor dem Wagen sah ich ein Stück des schmalen Feldwegs, der sich auf dem Weg in eine Vorhölle irgendwann verlor.
    »Aber Raniel gehört die Mühle?« hörte ich Suko fragen.
    »Das schon.«
    »Kannten Sie auch seine Eltern?«
    »Nein, ich hörte nur davon, wie sie ums Leben kamen. Das muß furchtbar gewesen sein. Ich nahm auch an, daß sich Raniel erst nach ihrem Tod so verändert hatte.«
    Da ich mich gedanklich noch immer mit der Mühle beschäftigte, bezog sich meine nächste Frage auf sie. »Haben Sie die alte Windmühle schon einmal betreten?«
    Janet nickte, aber sie fühlte sich unwohl, das sah ich ihr genau an. »Ja, ich war dort, aber es ist kein Ort, der mir gefällt. Es… es ist mir da einfach zu unheimlich. Ich… ich habe Angst, mich in der Mühle aufzuhalten.«
    »Wie kann man da wohnen?«
    »Oh, das geht schon, Mr. Sinclair. Raniel hat sie umgebaut. Zumindest den ersten Stock. Dort befindet sich eine Wohnung, Platz genug ist vorhanden. Und da gibt es auch ein breites Fenster, das bis zum Boden reicht. Sie hat nur kein Bad, nur eine einfache Waschgelegenheit im Eingangsbereich, wo Sie auch noch die anderen Mühlsteine finden können. Wenn Sie wollen, so hat Raniel einmal gesagt, können Sie dort sogar Korn mahlen.«
    »Sind denn die Flügel noch okay?«
    »Manchmal drehen sie sich, wenn der Wind stark genug ist. Ich habe das einmal erlebt und muß Ihnen sagen, daß es mir unheimlich geworden ist. Vielleicht stand ich zu dicht dabei, ich hörte das Rauschen, und ich hatte gleichzeitig das Gefühl, als wäre sie ein Riesenrad auf einer Kirmes der Verfluchten.« Janet schüttelte sich. Sie hatte sogar eine Gänsehaut bekommen, die Erinnerung an das Erlebte war nicht eben freudig.
    »Wohnte er oft dort?«
    »Zuletzt fast immer.« Janet ruckte herum, weil sie mich ansehen wollte.
    »Jetzt möchte ich Sie aber fragen, was Sie von Raniel wollen. Sie haben zu mir ebenso in Rätseln gesprochen, wie er es stets tat. Da unterscheiden Sie sich kaum.«
    Wir konnten ihr nicht die ganze Wahrheit erzählen. Sie hätte sie uns auch kaum abgenommen, deshalb wich ich aus, und wahrscheinlich freute Suko sich, daß er nicht zu antworten brauchte. Zum Glück fiel mir rechtzeitig genug eine Ausrede ein. »Es geht noch immer um die alte Sache – Sie verstehen?«
    »Meinen Sie den Tod seiner Eltern?«
    »So ist es.«
    Für einen Moment senkte Janet den Blick. »Ich kenne die Almedos nicht, Raniel aber hat sie sehr geliebt.«
    Als Janet den Namen Almedos erwähnte, meldete sich Suko. »Der Name klingt fremd für uns. Wissen Sie, woher die Familie stammt? Hat er darüber berichtet?«
    »Aus Spanien, nehme ich an.« Janet nickte. »Ja, sie stammen aus Spanien. Haben aber hier gewohnt. Es müssen wirklich nette Leute gewesen sein.« Sie lächelte versonnen. »Raniel ist auch nett. Nur waren wir eben zu verschieden.«
    Das konnte ich mir vorstellen. Keine Vorstellung allerdings machte ich mir von Raniel. Ich erinnerte mich an die Szene auf dem schneebedeckten Gefängnishof. Da hatte ich ihn nicht einmal gesehen, sondern nur die Klinge am Hals gespürt. Die eisige Berührung, die kälter gewesen war als der Schnee. Höchstwahrscheinlich war es ein Messer gewesen, das meine Haut berührt hatte.
    War er bereit gewesen, mich zu töten?
    Ich wußte es nicht. Jedenfalls schätzte ich ihn als jemand ein, der unbeirrt seinen Weg ging. Ich kam auf den Namen zu sprechen und wollte wissen, ob Janet ihn schon einmal gehört hatte.
    »Der Gerechte?« murmelte sie. »Was meinen Sie mit dem Begriff?«
    »Ist er Ihnen im Zusammenhang mit Raniel schon einmal begegnet? Hat er ihn erwähnt?«
    »Nicht daß ich wüßte.«
    »Denken Sie nach.«
    »Nein, Mr. Sinclair. Warum? Welchen Sinn sollte das denn
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