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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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klug, einer Angestellten solche Briefe zu diktieren? Wäre es nicht besser, Sie schrieben diese Briefe selbst, damit die Geheimnisse Ihres Herzens nicht jemand zu Ohren kommen, für den sie nicht bestimmt sind?‹
    »Schöne Kareendi, Blume meines Herzens, nur du allein kannst diese Briefe schreiben, denn sie sind an die Adresse deines Herzens gerichtet, die Post soll sie in dein Herz tragen, die Augen deines Herzens sollen sie lesen, dein Herz selbst soll sie umschließen, und dort sollen sie auf ewig versiegelt bleiben. Und wenn du die Briefe in Empfang nimmst, dann schreibe bitte nicht darauf: ›Zurück an Absendern Liebste, Herzensblume — siehst du denn nicht, wie mich meine Liebe zu dir hat schwach werden lassen?‹
    › Mr. Boss , bitte …‹ Kareendi versucht, ihn zu unterbrechen. Sie sieht, wie erregt Boss Kihara atmet, und das macht ihr Angst; vergleicht sie jedoch seine Worte mit seiner glänzenden Glatze, so ist ihr nach Lachen zumute. Kareendi sucht nach Worten, um diesen alten Mann zu beschämen … ›Was würden Sie denn tun, wenn Ihre Frau Sie so sprechen hörte?‹
    ›Sie zählt nicht. Man benutzt kein schales Parfüm, wenn man zum Tanz geht. Please , Kareendi, hör zu, ich will dir was Schönes erzählen. Ich werde dir ein Haus im Furaha Leo Estate mieten, oder auch in der City, Kenyatta Avenue, oder sonst irgendwo in der Stadt. Du kannst dir die Gegend aussuchen. Ich werde das Haus mit Möbeln, Teppichen Matratzen und Vorhängen ausParis, London, Berlin, Rom, New York, Tokio, Stockholm oder Hongkong ausstatten. Imported Furniture and Household Goods ! Dann werde ich dir Kleider kaufen, denn ich möchte, daß du dich nach der neuesten Mode aus der Oxford Street oder aus den Häusern der Haute Couture in Paris kleidest. Schuhe mit hohen Absätzen oder Plateau-Schuhe werden wir für dich aus Rom kommen lassen. Wenn du diese Schuhe trägst, die deine Leute im Spaß ›Ich-weiß-nicht-wohin-warum-denn-eilen‹ nennen, dann möchte ich, daß sich jedermann in ganz Nairobi nach dir umdreht und daß die Leute neidvoll sagen: das ist Boss Kiharas Sugar girl ! Wenn nun diese Freuden andauern und du mich mit allen irdischen Genüssen glücklich machst, werde ich dir einen kleinen Einkaufskorb schenken, den du für den Markt und deine anderen Besorgungen in der Stadt benutzen kannst, oder auch für vergnügliche Ausflüge an einem Sonntag — ich meine, ein Alfa-Romeo wäre genau das richtige Auto für eine Braut. Kareendi, mein Früchtchen, meine kleine Apfelsine, Herzensblume — komm zu mir und sage der Armut Lebewohl …‹
    Kareendi kann nur noch mit Mühe das Lachen zurückhalten.
    Sie sagt: › Mr. Boss , erlauben Sie mir bitte eine Frage.‹
    ›Tausend und eine will ich dir beantworten!‹
    ›Haben Sie gesagt, Sie wollten mich heiraten?‹
    ›Ha, warum tust du denn so, als wüßtest du nicht, wie die Dinge stehen? Merkst du denn nicht, daß … Mein Früchtchen, du mußt mir gehören, jetzt, sei mein Sugar girl !‹
    ›Nein. Ich wollte nie ein Verhältnis mit meinen Chefs.‹
    ›Mein Früchtchen, wovor fürchtest du dich denn?‹
    ›Außerdem möchte ich nicht schuld daran sein, daß ihre Ehe zerbricht. Ein geborgtes Halsband kann zum Verlust des eigenen führen.‹
    ›Ich habe dir doch gesagt, daß man nicht mit altem, schalen Parfüm zum Tanze geht! Kareendi, mein neues Halsband, mein Paradiesapfel, der im fruchtbaren Garten eines verlassenen Hauses gedeiht! Wovor fürchtest du dich? Warum siehst du denn Probleme?‹
    ›Ich habe meinen Kamoongonye, einen jungen Mann, der mich liebt.‹
    ›Ha, ha, ha, Kareendi, daß ich nicht lache! Bist du wirklich so altmodisch? Sprichst du von einem dieser Knaben, die vorgeben, Männer zu sein? Sind sie überhaupt beschnitten?‹
    ›Die Yamswurzel, die man für sich selbst ausgräbt, hat keine Schimmelflecke. Das Zuckerrohr, das man sich selbst aussucht, hat keine unreifen Stellen. Jene, die man liebt, schielen nicht. Der junge Mann, von dem Sie behaupten, er sei nicht beschnitten, ist mein Aus erwählter.‹
    ›Kareendi, hör zu. Ich will dir was sagen‹, keucht Boss Kihara. Er gleitet vom Tisch und nähert sich Kareendi. ›Heutzutage hat die Geschichte von Waigoko, dem Mann mit Haaren auf der Brust, und von Kamoongonye, dem jungen Liebhaber, ihre Gültigkeit verloren. Geld hat die behaarte Brust Waigokos glattrasiert … Aber weil es natürlich stimmt, daß das Herz nur nach dem hungert, was es sich auserwählt hat, will ich nicht weiter darauf
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