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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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drängen, daß du meine Geliebte werden sollst. Du hast zu einem hübschen Haus nein gesagt; du hast zu teuren Kleidern nein gesagt; auch einen Einkaufskorb hast du abgelehnt. Nun gut. Wie du willst. Aber laß mich dies eine Mal. Sag nicht nein.‹
    ›Gehören Sie nicht zur Church of Heaven ? Lesen Sie nie in der Bibel? Wenn Sie nach Hause kommen, dann schlagen Sie im Römerbrief im dreizehnten Kapitel, vierzehnter Vers nach: »… wartet des Leibes nicht so, daß ihr seinen Begierden verfallet …«‹
    ›Aber im selben Buch steht auch: »Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan …« Mein Früchtchen, meine Liebste, selbst ein Bett ist vorhanden — dieser Bürofußboden ist gut genug. Wenn Büros reden könnten, dann wüßten sie viel zu erzählen. Ein glatter Zementfußboden ist ein phantastisches Bett — er streckt alle Rückenwirbel bis in den Kopf!‹
    ›Ich will aber nicht; mein Rücken braucht nicht gestreckt zu werden!‹ entgegnet Kareendi und hält ihren Ärger nicht mehr länger zurück.
    Boss Kihara versucht jetzt, Kareendi zu umarmen, dabei kippt fast der Stuhl um. Kareendi steht auf, hängt sich ihre Tasche über die Schulter und geht rückwärts. Er will nach ihr greifen, sie läuft weg, er ihr nach, als tanzten sie im Kreis den Tanz vom Jäger und dem Gejagten. Boss Kihara hat es aufgegeben, seine Würde zu wahren.
    Und dann stürzt er sich plötzlich auf Kareendi. Mit einem Armhält er sie fest, während seine freie Hand nach ihrem Körper tastet. Kareendi versucht, sich aus der Umklammerung des Mannes zu befreien; sie hämmert mit den Fäusten auf seine Brust, und gleichzeitig bemüht sie sich vergebens, ein Klappmesser, das sie stets bei sich trägt, aus der Handtasche zu holen. Im Büro ist nur noch das schwere Atmen der beiden zu hören. Kareendi weiß, daß er sie überwältigen wird. Plötzlich vergißt sie, daß er ihr Boss ist und schreit: ›Wenn Sie mich nicht loslassen, rufe ich um Hilfe!‹
    Boss Kihara hält ein. Er denkt an seine Frau und an seine Kinder. Es fällt ihm ein, wie oft er sonntags am Altar der Church of Heaven die Bibel liest. Er besinnt sich auch darauf, daß ausgerechnet er häufig bei den kirchlichen Trauungen die Predigt hält und den Neuvermählten Ratschläge über das Zusammenleben von Eltern und Kindern gibt. All dies geht ihm gleichzeitig durch den Kopf. Nun stellt er sich vor, auf welche Verachtung er im ganzen Land stoßen würde, beschuldigte man ihn der Vergewaltigung seiner Sekretärin. Unversehens erlöscht das Feuer. Die Hitze verfliegt. Er gibt Kareendi frei. Er nimmt ein Taschentuch aus der Tasche und wischt sich den Schweiß ab. Er schaut Kareendi an. Er will etwas sagen, aber gibt es wieder auf. Er sucht nach Worten, um sein Gesicht zu wahren. Er versucht zu lachen, doch das Lachen erstirbt ihm auf den Lippen. Nur um überhaupt etwas zu sagen, stößt er hervor: ›Soll das heißen, Kareendi, daß man sich bei dir zuhause nie neckt? Wie dem auch sei, ziehe keine voreiligen Schlüsse. Es war ja nur ein Spaß zwischen Vater und Tochter. Geh jetzt nach Hause. Die Briefe schreibst du wohl am besten gleich morgen früh.‹
    Kareendi geht nach Hause und macht sich ihre eigenen Gedanken über diesen Spaß zwischen Vater und Tochter. Dieses Spiel kennt sie nur zu gut. Das Spiel zwischen einem Leopard und einer Ziege …
    Am nächsten Morgen kommt Kareendi wie gewohnt zur Arbeit. Sie hat sich fünf Minuten verspätet. Boss Kihara ist bereits da. Er ruft sie in sein Büro. Kareendi geht hinein. Sie fühlt sich befangen, wenn sie an die Auseinandersetzung vom Abend zuvor denkt. Aber Boss Kihara hebt nicht einmal den Blick von seiner Zeitung.
    ›Kareendi, Sie scheinen dieser Tage Ihr eigener Chef zu sein!‹ ›Es tut mir leid, Sir, der Bus hatte Verspätung.‹
    Bei diesen Worten schaut Boss Kihara von seiner Zeitung auf, er lehnt sich in den Sessel zurück und fixiert Kareendi mit einem Blick voller Bitterkeit.
    ›Warum, Miss Kareendi, sagen Sie denn nicht, daß dieser verspätete Bus, der Sie aufgehalten hat, der Bus der jungen Männer ist … Mit scheint, es liegt Ihnen nicht viel an Ihrer Arbeit. Ich sollte Ihnen erlauben, den Eingebungen Ihres Herzens zu folgen. Es wäre besser, Sie gingen eine Zeitlang nach Hause. Sollten Sie jemals wieder arbeiten wollen — so, wie die anderen Mädchen auch
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