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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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getroffen hätten. Mutter und Großmutter jedoch warnen das Mädchen davor, dies nicht zur Gewohnheit werden zu lassen: ›Von nun an, Kareendi, sei auf der Hut! Von nun an weißt du, daß Männer ansteckende und brennende Stacheln haben, die für immer im Fleisch ihrer Opfer stecken bleiben!‹
    Nehmen wir an, Kareendi hat jetzt auch verstanden: Keiner kann für die Sünden anderer büßen; keiner kehrt so gerne zurück, wie er gegangen ist; ein Lächeln bedeutet noch lange keine Liebe. Kareendi beißt entschlossen die Zähne zusammen und geht wieder in die Schule. Sie macht gute Fortschritte bis zur vierten Klasse. Sie legt die Abschlußprüfung ab und bekommt ihr EACE — ein Zeugnis, das ihr bescheinigt, daß sie in Englisch, Swahili und Religion bestanden hat.
    So weit, so gut.
    Doch Probleme haben keine Flügel. Kareendis Eltern greifen noch einmal tief in die Tasche. Sie holen ihr Gespartes hervor — den Prügel, der immer bereit steht, um dem unerwarteten Auftauchen einer Ratte begegnen zu können. Nun ist diese Ratte da. Kareendi wird schnellstens im Nairobi Secretarial College angemeldet, um dort Steno und Schreibmaschine zu lernen. Nachneun Monaten hämmert sie fünfundvierzig Worte in der Minute herunter, und in Steno ist sie perfekt — sie schreibt jetzt achtzig Silben pro Minute. Die Sprache der Augen ist nicht die Sprache der Ohren. Schreibmaschine und Steno — die Zeugnisse der Pittman-Schule hat sie in der Tasche.
    Nun läuft Kareendi durch ganz Nairobi, um einen Arbeitsplatz zu finden. Bewaffnet mit ihren Pittman-Zeugnissen sucht sie ein Büro nach dem anderen auf. Sie trifft Mr. Boss , der sich der größeren Bequemlichkeit halber in seinen Sessel fallen läßt. Er mustert Kareendi eingehend von Kopf bis Fuß. ›Was suchen Sie? Eine Stelle? I see , — leider habe ich im Augenblick überhaupt keine Zeit. Könnten Sie um fünf Uhr wiederkommen?‹ Kareendi wartet ungeduldig, bis es soweit ist. Sie eilt zu dem Büro zurück. Atemlos kommt sie an. Nun hat Mr. Boss ein Lächeln für sie, bietet ihr einen Stuhl an und erkundigt sich nach ihrem Namen — ihren Geburtsnamen will er wissen und ihren angenommenen englischen Namen. Er fragt nach Schwierigkeiten und hört ihr mit geduldiger Aufmerksamkeit zu. Er klopft mit den Fingern oder auch mit einem Stift auf den Schreibtisch und meint: ›Ja, Kareendi, heutzutage ist es schwer, Arbeit zu finden. Aber für ein Mädchen wie Sie … da dürfte es nicht allzu schwierig sein! Nur, solche Angelegenheiten, liebe Kareendi, sollte man nicht im Büro regeln. Gehen wir hinüber ins Modern Love , ein Hotel mit Bar, um die Sache zu besprechen.‹ Doch Kareendi denkt an die brennenden Stacheln in ihrem früheren Leben — gebrannte Kinder scheuen das Feuer, und wer aus einer Kalebasse getrunken hat, weiß, wie groß sie ist. Deshalb lehnt Kareendi jede Einladung in Hotels für moderne oder auch altmodische Liebe ab, und so kommt es, daß sie auch am nächsten Tag noch auf der Straße steht.
    Und wieder betritt sie ein Büro. Und wieder lernt sie einen Mr. Boss kennen. Dasselbe Lächeln, dieselben Fragen, das Rendezvous im selben Hotel — und das Ziel ist nach wie vor das, was Kareendi zwischen den Beinen hat. Man hätte meinen können, das Modern Love diene als zentrales Stellenvermittlungsbüro für Mädchen — der Schoß der Mädchen der Tisch, auf dem die Verträge unterzeichnet werden. Weil eine Jungfer einst so süß war, ertrank sie im Meer der Süße. Aber das neue Kenia singt unserer Kareendi nur ein einziges Lied: Schwester Kareendi, es ist besser mitmachen, als ein Narr alleine sein! Schwester Kareendi,jedes Gerichtsverfahren beginnt mit einem Fest! Schwester Kareendi, eine leere Hand nimmt keiner gern. Eine Hand wäscht die andere. Moderne Probleme werden letztlich im Bett gelöst. Wer schlafen will, sorgt auch fürs Bett.
    Kareendi beschließt, daß ihr Fall besser ungelöst bliebe, als daß sie einem anderen das Bett bereite. Und weil Gott nun wirklich kein Ugali ißt, bekommt Kareendi tatsächlich eines Vormittags eine Stelle angeboten, ohne daß sie irgendwelche modernen Liebeshotels aufsuchen muß. Mr. Boss Kihara ist Direktor der Firma. Er ist ein älterer Herr, hat eine Frau und mehrere Kinder. Außerdem ist er im Kirchenvorstand der Church of Heaven. Unsere Kareendi kommt mit äußerster Umsicht ihren Büropflichten nach.
    Noch ehe ein Monat um ist, findet Kareendi ihren Kamoongonye. 3 Der junge Mann studiert an der Universität. Er hat
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