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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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Verfolgen wir unseren Weg zurück, bis dahin, wo alles begann …
    Lange bevor Wariinga Nairobi verließ, war ihr ein Mißgeschick widerfahren, und das Unglück hatte sie verfolgt. Wariinga arbeitete in Nairobi als Sekretärin (Steno und Schreibmaschine) in den Büros der Champion Construction Company, in der Tom Mboya Street, in der Nähe des Nationalarchivs.
    Mißgeschick kommt ungerufen, und ein Unglück kommt selten allein. Am Freitag vormittag wurde Wariinga entlassen. Sie hatte sich den Zudringlichkeiten ihres Chefs, Boss Kihara, 1 Direktor der Firma, widersetzt. Am Abend desselben Tages trennte sich auch Wariingas Freund, John Kimwana, von ihr, nachdem er sie beschuldigt hatte, Boss Kiharas Geliebte zu sein.
    Am Samstagmorgen bekam Wariinga Besuch von ihrem Vermieter, dem Eigentümer des Hauses in Nairobis Stadtteil Ofafa Jericho, in dem sie ein Zimmer gemietet hatte. Aber war es ein Zimmer, oder war es ein Mauseloch? Der Fußboden voller Löcher, in den Wänden klaffende Risse, undichte Decke. Er teilte Wariinga mit, daß er die Miete erhöhen werde. Sie weigerte sich, mehr zu bezahlen. Er forderte sie auf, das Zimmer auf der Stelle zu räumen. Sie widersprach und erklärte, sie werde sich an die Behörde für Mietangelegenheiten wenden. Der Vermieter stieg in seinen Mercedes und fuhr davon. Aber ehe sich's Wariinga versah, war er wieder da, dieses Mal aber in Begleitung von drei Schlägertypen mit dunklen Sonnenbrillen. Die Arme in die Seiten gestemmt, pflanzte er sich in einiger Entfernung von Wariinga auf und rief ihr höhnisch zu: »Da hast du deine Behörde für Mietangelegenheiten!« Wariingas Habseligkeiten wurden aus dem Zimmer geworfen, die Tür mit einem neuen Vorhängeschloß verriegelt. Einer der Gangster warf ihr einen Fetzen Papier zu, auf dem zu lesen stand:

    DEVIL'S ANGELS - PRIVATUNTERNEHMEN
    Bei dem geringsten Versuch, uns bei den Behörden zu verpfeifen, befördern wir Sie auf direktem Weg ins Jenseits — in den Himmel oder zur Hölle — ohne Rückfahrkarte!
    Die Männer stiegen in den Mercedes und fuhren davon. Wariinga starrte eine Weile auf das Stück Papier, dann steckte sie es in ihre Handtasche.
    Sie setzte sich auf eine Kiste und stützte den Kopf in die Hände. Warum immer ich? Welchen Gott habe ich beleidigt? grübelte sie. Sie nahm einen kleinen Spiegel aus ihrer Handtasche und betrachtete zerstreut ihr Gesicht, während sie ihre unzähligen Probleme überdachte. Sie fand eine Menge an sich auszusetzen und verfluchte den Tag, an dem sie geboren wurde. Arme Wariinga, wohin soll ich nun gehen, fragte sie sich.
    Da beschloß sie plötzlich, zu ihren Eltern zurückzukehren. Sie stand auf, suchte ihre Sachen zusammen, stellte sie in das Zimmer nebenan, das einer Mkamba gehörte, und begann, ihre Reise vorzubereiten. Noch immer schwirrte ihr der Kopf von ihren vielen Sorgen und Problemen.
    Wariinga war davon überzeugt, daß ihre äußere Erscheinung die Wurzel allen Übels war. Wann immer sie sich im Spiegel betrachtete, fand sie sich sehr häßlich. Am meisten aber haßte sie ihre schwarze Hautfarbe, und so entstellte sie ihren Körper mit Hautaufhellern wie Ambi und Snowfire und vergaß dabei, daß es heißt: Einmal schwarz, immer schwarz. Ihr Körper war bald übersät mit hellen und dunklen Flecken, wie das Gefieder des Perlhuhns. Ihr Haar war brüchig geworden und hatte bereits die braune Farbe des Maulwurfs, denn es war mit glühend heißen Eisenkämmen geglättet worden. Wariinga haßte auch ihre Zähne. Sie sahen ein wenig verfärbt aus, und waren längst nicht so weiß, wie sie hätten sein sollen. Sie bemühte sich, ihre Zähne nicht zu zeigen, und selten lachte sie frei heraus. Tat sie es doch einmal, und erinnerte sich dann plötzlich ihrer Zähne, so verstummte sie augenblicklich oder verbarg ihren Mund hinter vorgehaltener Hand. Die Männer neckten sie bisweilen und nannten sie »Wariinga, die Schlechtgelaunte«, denn fast immer hielt sie ihre Lippen fest verschlossen.
    War Wariinga jedoch glücklich und grübelte nicht über das schwindende Weiß ihrer Zähne und über die Farbe ihrer Haut, und lachte aus vollem Herzen, dann entwaffnete ihr Lachen alle und jeden. Ihre Stimme war so sanft und betörend wie duftendes Öl. Ihre Augen leuchteten wie Sterne in der Nacht. Ihr Körper war ein Fest für die Augen. Wenn Wariinga selbstvergessen die Straße entlang ging und ihre Brüste dabei auf und ab wogten, wie zwei reife Früchte im Wind, verrenkten die Männer die Hälse
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