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Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)

Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Mechtild Borrmann
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rausgeschmissen hat.«
    »Wir fahren bis Podolsk und warten«, überging Kyrill seinen Einwand.
    »Worauf?«
    »Freunde.«
    »Sie meinen, wir stehlen sie?«
    Kyrill schnalzte tadelnd mit der Zunge. »Wir holen sie zurück.«
    Sascha spürte neuen Lebensmut. Kyrill hatte recht. Die Geige gehörte seiner Familie.
    Während sie nach Podolsk fuhren, holte Sascha seinen Laptop hervor. Für Reger, der sich seine Informationen nicht immer legal besorgte, hatte er im letzten Jahr ein Siemensüberwachungssystem abgeschaltet. Kameras und Monitore waren im Haus der Kopejews über WLAN verbunden. Die Programmsoftware, die er sich damals direkt bei Siemens nicht ganz legal beschafft hatte, musste noch auf dem Laptop sein. Um in das hausinterne Netzwerk zu gelangen, würde er vor Ort höchstens fünf Minuten brauchen.
    »Die Kameras kann ich abschalten«, sagte er.
    Kyrill sah kurz zu ihm hinüber. »Gut!«
    »Aber da sind noch die Scheinwerfer.«
    »Egal. Die gehen erst an, wenn wir schon auf dem Gelände sind.«
    Sie fuhren schweigend weiter. Sascha dachte an Irina, die inzwischen sicher ziemlich sauer war. Er rief sie an, erreichte aber nur die Mailbox und beschloss im Stillen, bei der Briefübergabe mit Domorow über ihre Rückkehr nach Moskau zu sprechen. Nicht als Bedingung, das wäre maßlos nach allem, was Domorow für die Beschaffung der Geige zu tun bereit war.
    Es war früher Abend, als sie Podolsk erreichten und auf den Parkplatz eines Lokals fuhren. Das Restaurant wirkte von außen klein und unscheinbar, innen bot es aber mindestens fünfzig Gästen Platz. Dunkle Holzstühle mit hohen, reichverzierten Lehnen an weiß eingedeckten Tischen. Die Lampen an den unverputzten Wänden warfen gelbliches Licht an die Decke. Eine junge Frau in einem olivfarbenen Kostüm kam mit zwei Speisekarten auf sie zu. Kyrill redete kurz mit ihr. Das Lokal war gut besucht, und die Tische standen dicht beieinander. Sie führte sie in den hinteren Teil des Gastraumes und stellte Reservierungsschilder auf die beiden Nebentische. Ein Kellner brachte eine Karaffe Wasser und eine Flasche Wodka und schenkte ein.
    Sie aßen Gemüsesuppe mit Brot und anschließend Tschebureki, mit scharf gewürztem Lammfleisch gefüllte Teigtaschen. Während des Essens tranken sie Wasser und zwischen der Vor- und Hauptspeise einen Wodka. Kyrill stellte sein Glas anschließend auf den Kopf, und als der Kellner kam und Sascha einen neuen Wodka einschenken wollte, drehte er sein Glas ebenfalls um. Anschließend gab es Mocca, der samtig und leicht bitter auf der Zunge lag. Sascha fertigte aus dem Gedächtnis eine Skizze des Hauses an. Er zeichnete ein, in welchem Raum die Geige aufbewahrt wurde.
    Kyrill sah ihm wohlwollend zu, wie einem Kind, das sich selbständig beschäftigt. Als Sascha fertig war, nickte Kyrill und sagte knapp: »Da wird sie nicht mehr sein.« Er nahm einen Schluck von seinem Mocca und klopfte Sascha auf die Schulter. »Keine Sorge, Grenko. Die werden uns die Geige schon geben.«
    Es war nach neun, als zwei Männer das Lokal betraten und zielstrebig auf ihren Tisch zukamen. Sie wirkten in ihren gutsitzenden Anzügen über Marken-T-Shirts wie Geschäftsleute am Feierabend. Kyrill begrüßte sie mit Handschlag, orderte vier Mocca und zwei Wodkagläser und stellte die Männer als Igor und Wadim vor. Wadim mochte Ende dreißig sein, aber Igor, so schätzte Sascha, war höchstens zwanzig.
    Mit den Worten »Er wird die Kameras abschalten« zeigte Kyrill auf Sascha. Auch die restlichen Informationen kamen kurz und wenig präzise. »Wahrscheinlich zwei Wachmänner. Ein Bodyguard drinnen, vielleicht zwei. Wir brauchen nur die Geige.« Den Männern schien das zu reichen.
    Kyrill zahlte. Auf dem Parkplatz öffnete er die Wagentür, beugte sich in den Volvo, hob die Mittelkonsole an und schob seine Hand darunter. Am Fahrersitz klappte die Polsterung der Rückenlehne aus der Kunststoffschale. Kyrill griff in die Öffnung und zog seine Waffe hervor.
    Dann stiegen sie alle vier in einen schwarzen Range Rover. Sascha saß auf dem Beifahrersitz. Die Sonnenblende war noch heruntergeklappt, und er sah im Spiegel, dass auch Wadim, der im Fond des Wagens neben Kyrill saß, eine Waffe unter dem offenen Jackett trug. Ganz selbstverständlich nahm er das zur Kenntnis. Ganz ruhig betrachtete er die Männer und dachte: Drei Tage. Vikas Anruf ist erst drei Tage her. Nur ein Anruf, und wieder ist mein Leben ein anderes.
    Das letzte Tageslicht schimmerte blass am Horizont, als
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