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Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)

Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Mechtild Borrmann
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geviertelt und geachtelt und warf das Papierpäckchen jetzt auf den Tisch zurück.
    »Vater rief meinen Mann an und bat ihn, Iljas Reise zu verhindern.«
    Sie hob den Kopf und blickte Sascha an. »Er hat das bestimmt nicht gewollt. Nicht so. Er hatte Angst, ihn zu verlieren, verstehen Sie. Er schlug vor, Ilja mitzuteilen, dass er nur ohne die Geige reisen dürfe. Er war sich sicher, dass Ilja in dem Fall zu Hause bleiben würde.«
    Sie blickte sich wie suchend um, vermied es aber, ihren Mann anzusehen.
    »Nikita hat geglaubt, es ginge meinem Vater um die Geige, und hat die Reise … auf seine Weise verhindert.« Sie schlug die Hände vors Gesicht.
    Nikita Kopejew schaltete sich ein. Zu seiner Frau sagte er spöttisch: »Der gute Professor Meschenow. So hättest du es wohl gerne. Aber ganz so war es nicht. Er hat meine Hilfe gewollt, hat erklärt, dass er eine Flucht für denkbar hält. Wenn er das nicht getan hätte, wäre der Antrag, Frau und Kinder mitzunehmen, abgelehnt worden, aber Grenko hätte reisen können. Deinem Vater ging es um die Geige.«
    Er beugte sich vor, schien entschlossen, seine Version der Geschichte zu erzählen.
    »Zwei oder drei Tage lang hat er rumgejammert, dass er das so nicht gemeint habe. Aber als er verstanden hatte, dass sich die Sache nicht einfach rückgängig machen ließ, da hat er gebettelt: ›Die Geige, Nikita, kannst du die Geige besorgen. Sie darf nicht verlorengehen.‹«
    Sascha betrachtete das gefaltete Papier, das Sonja Kopejewa achtlos auf den Tisch geworfen hatte. Er dachte daran, dass sein Großvater noch in Workuta an die Loyalität seines Professors geglaubt hatte und Galina wohl bis an ihr Lebensende.
    Er wandte sich wieder an Sonja Kopejewa. »Meine Großmutter war Anfang der sechziger Jahre noch einmal in Moskau.«
    Ihre Hände kämpften in ihrem Schoß miteinander. »Ich habe von diesem Besuch erst heute erfahren.«
    Sie betrachtete ihren Mann, wartete einen Moment darauf, dass er etwas dazu sagen würde. Als er schwieg, sagte sie mit einem Nicken in seine Richtung: »Er hat gesagt, Galina …«
    Kopejew schnitt ihr das Wort ab. »Sie war da, ja. Nach all den Jahren tauchte sie plötzlich auf. Ich habe ihr ausrichten lassen, sie möge warten, aber als ich unten ankam, war sie weg. Mit ihrem Unfall habe ich nichts zu tun, ich habe erst Tage später davon gehört.«
    Sascha schluckte, hörte, dass es die Wahrheit war.
    Kopejew klopfte mit den Knöcheln auf den Tisch, fühlte jetzt sichereres Terrain.
    »Begreifen Sie denn nicht, dass alles, was später geschehen ist, die Schuld Ihres Großvaters war? Wenn er diesen Brief nicht geschrieben hätte …« Er schnappte nach Luft. »Die offizielle Akte ›Grenko‹ endet mit seiner Reise nach Wien. Es hat nie einen Haftbefehl gegen ihn gegeben, und es hat nie ein Prozess stattgefunden. ALSO WAR ER AUCH NIE IN WORKUTA!«
    Den letzten Satz brüllte Kopejew, und Sascha starrte ihn ungläubig an. Der Alte lehnte sich in den Sessel zurück, presste die Lippen aufeinander und signalisierte, dass alles gesagt sei.
    »Meine Eltern? Meine Schwester? … Gestern Abend, die Schüsse auf mich?«
    Kopejew schmatzte verächtlich: »O nein. Ich habe mit dem Tod Ihrer Eltern und Ihrer Schwester nichts zu tun. Gestern Abend … ja. Als ich erfuhr, dass Sie in Moskau sind … Aber Sie leben doch. Was also wollen Sie noch? Nehmen Sie die verdammte Geige und …«
    Sascha unterbrach ihn. »O nein, nicht erst gestern. Kalugin ist seit meiner Abreise aus Deutschland hinter mir her.«
    Kopejew schüttelte entschieden den Kopf. »Reden Sie keinen Unsinn. Ich weiß erst seit gestern Nachmittag, dass es Sie überhaupt gibt.«
    Sascha war für einen Moment verunsichert. Aus den Augenwinkeln sah er Sonja Kopejewa, die ihren Mann mit zunehmendem Widerwillen betrachtete.
    Draußen fuhr ein Wagen vor. Sascha blickte fragend zu Kyrill, der unbeeindruckt mit verschränkten Armen am Kaminsims lehnte.
    Sascha stand auf und ging zum Fenster. Ein Lincoln Navigator hielt neben dem Mercedes, und drei Männer stiegen aus.
    »Domorow!«, sagte er und konnte sein Erstaunen nicht verbergen. Er blieb am Fenster stehen und drehte sich um, sah Kopejew leichenblass werden. Trotzdem setzte der Alte sich auf, saß mit geradem Rücken da, als Domorow den Raum betrat. Etwas schien hier vorzugehen, das Sascha nicht einordnen konnte.
    Domorow wechselte einen kurzen Blick mit Kyrill, und der schüttelte den Kopf. Dann wandte Domorow sich an Sonja Kopejewa und bat sie
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