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Der geheime Brief

Der geheime Brief

Titel: Der geheime Brief
Autoren: M Ernestam
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Ausstellung. Das hier ist das, was ich bin und was ich euch zeigen will. Das hier ist, was ich zu bieten habe, und alles gehört dir. Mårten, den sie auf dem Friedhof besuchte. Sie
hatte versprochen, ihn niemals zu vergessen und gerade deshalb weiterzuleben.
    Als die Türen geöffnet wurden und die Gäste hereinkamen, war sie bereit, indem sie es nicht war. Izabellas Einleitung klang verlockend, ihre Beschreibung vertraut und ungewohnt zugleich. Eine schöne Zusammenfassung, einige Verweise auf die Vergangenheit und auf frühere Werke, auf Inspiration und Motive. Westküste, ja, Romantik, möglicherweise. Religiöse Einflüsse? Fragen Sie die Fotografin. Aber ich behaupte voller Überzeugung, dass das Spiel zwischen Licht und Dunkelheit kein Zufall ist. Inga Rasmundsen überlässt bei ihrer Arbeit nämlich nichts dem Zufall.
    Ein Lächeln in ihre Richtung, und das konnte sie erwidern.
    Sie schaute sich in der Galerie um. Große Schwarzweißfotos, leicht bearbeitet, um das zu betonen, was sie für wichtig hielt. Bilder vom Hof in Fiskinge. Ein Holzhaus mit einem schönen Balkon im ersten Stock. Der Rahmen bestand aus zwei ausgerissenen Seiten eines alten Gebetbuchs. Die Brüder der Großmutter standen vor dem Hof. Sie trugen dunkle Hosen und schauten ebenso dunkel in die Unsicherheit hinaus. Bilder von Feld und Wiesen in Rahmen aus Rosshaar. Woher sie das alles hatte? Sie war mit einer Schere in der Tasche in den Stall der Reitschule gegangen, hatte hier und da einige Haare abgeschnitten. Niemand würde ihr das jemals glauben, und das war das Beste von allem. Aber Rakel und Lea hätten es gewagt.
    Die Großmutter. Ein kleines Mädchen in Kleid und Schürze, mürrisch schaut sie in die Kamera. Die Großmutter als junge Frau, in hellem Kleid mit Spitzen und Stickereien, Blumen auf einem Holzgestell. Das Foto war eines von denen, die sie von Onkel Ivar bekommen hatte, der sich mit großer Freude an den Vorarbeiten beteiligt und ihr alles überlassen hatte, was auf seinem Dachboden zu finden war. Die Großmutter mit Onkel
Ivar auf dem Schoß, die Großmutter auf einem Felsen auf Marstrand, im Hintergrund das Meer, vielleicht zu Beginn der fünfziger Jahre. Die Großmutter mit den Augen eines anderen Menschen gesehen. Noch mehr Bilder, das größte gerahmt mit Klaviertasten. Schwarz auf Weiß auf Schwarz, und das Ergebnis war ein Tribut an den Eigensinn und den Glaser an der Ecke. Der jetzt vor den Fotos stand und einem Besucher erzählte, welches Werkzeug er benutzt hatte und dass er gern mit Elfenbein arbeitete, obwohl man das ja nicht sagen dürfe.
    Onkel Ivar, klein, mittel und groß, gerahmt mit Porzellanstücken, Bilder von Noten oder Käsekuchen. Großvater Jakob, ein Portrait, auf dem die Narbe, die er sich in Liebe und Verzweiflung zugefügt hatte, nur eine Ahnung war. Ein Bild zeigte ihn mit der Hand in der Tasche, und der Rahmen war wegen Ivars Großzügigkeit mit Kronenstücken geschmückt. Ihr Vater. Gesund und froh. Ein Bild im Boot, auf dem Meer, den Blick auf den Horizont gerichtet, hinter sich Gischt. Der Rahmen aus Kristall, in dem Versuch, ihn auf Schlittschuhen in der Kälte einzufangen. Textfragmente ins Bild eingepasst. So weit das Schiff fahren kann.
    Mama Louise, lachend und mit einem Baby auf dem Schoß, wie als Pendant zu dem Bild von Großmutter Rakel. Der Rahmen aus Mohn, Margeriten, Kornblumen und Himmelsschlüsseln. Die Farben bildeten eine vollendete schwedisch-amerikanische Allianz. Sie hatte sich gefreut, als Inga angerufen und davon erzählt hatte. Gegen Ende des Gesprächs hatte sie gesagt, sie müssten sich treffen, es gebe so viel zu besprechen. Kommst du oder komme ich? Warum oder? Erst ich, dann du. Die Reise in die USA war bereits geplant und gebucht.
    Lea. Inga hatte sich ein weiteres Mal an Sara Moréus gewandt, hatte an ihrem Küchentisch gesessen und erzählt, was sie in Erfahrung gebracht hatte. Sara hatte zugehört und danach
erklärt, dass sie jetzt viel mehr von dem verstand, was früher nur aus Andeutungen bestanden hatte. Sie hatte noch einmal Leas Briefe hervorgenommen, und sie hatten sie gemeinsam gelesen und kommentiert. Der persönliche Kreuzzug einer Frau gegen den Mangel an Glauben, wie Lea aus China schrieb, ehe sie den Wahnsinn der Diktatur beschrieb, so, wie sie ihn auf den Feldern erlebte. Die Fotos von Lea, eine Mischung aus Haaren, Augen, Brust und Händen, alles gerahmt in roter Seide und weichem Leder.
    Die Kriegsbilder. Die Schiffe. Invincible, Seydlitz,
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