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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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zu töten, und ich bin mit Hilfe meiner beiden Freunde hierher geflüchtet, um ihn gleich zu Ihnen zu bringen. Jetzt fürchte ich, dass unser Dorf zerstört wurde und dass Sie die einzigen Überlebenden vor sich sehen.«
    Die Modor schüttelte traurig den Kopf. »Spricht er schon Deutsch?«
    »Seine Muttersprache ist unser Thüringer Dialekt, aber Deutsch im engeren Sinne … nun ja, das kommt noch. Englisch gar nicht.«
    »Er wächst auf jeden Fall noch?«
    »Schnell«, seufzte der Altermann.
    »Dann wird er auch schnell lernen müssen, sehr schnell. Er kann nicht lange bei uns bleiben, denn hier ist er nicht sicher. Wir müssen sofort mit seiner Ausbildung beginnen und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass er die Welt der Hydden verlassen kann. Nurdann kann er überleben, und er ist noch jung genug, um zu lernen, sich als Mensch auszugeben.«
    Der Altermann nickte traurig.
    »Wohin werden Sie ihn schicken?«
    »An den einzigen Ort auf der Welt, wo die Fyrd noch nicht alle Freiheit zerstört haben. Er wird übers Meer nach Englalond gebracht. Wenn er aufgehört hat zu wachsen, werden ihn die Sinistral dort nicht finden, und sie werden es auch nicht für nötig erachten, denn sie werden glauben, dass er niemals in unsere Welt zurückkehren kann.
    Wir werden ihn die englische Sprache lehren, die mit seiner eigenen gemeinsame Wurzeln hat. Wir werden ihn lehren, von seiner Stärke Gebrauch zu machen. Und wir werden ihn lehren, auf seinen Verstand zu vertrauen.«
    Der Altermann seufzte. »Und die Welt der Hydden? Werden Sie ihn lehren, sie zu vergessen?«
    Modor und Wita sahen einander an, und er war es, der antwortete.
    »Das können wir nicht, selbst wenn wir wollten, denn wie wir sehen, haben Sie ihm etwas eingepflanzt, das ihn niemals vergessen lassen wird, woher er kommt, zumindest nicht in seinem tiefsten Innern. Diese Berge mag er vergessen, auch unser Dorf und alle, die wir hier versammelt sind, aber in seinem Herzen wird die Welt der Hydden mit ihren Wundern und Weisheiten immer sein Zuhause bleiben. Sehen Sie sich den Jungen doch an! Schauen Sie ihm in die Augen! Sie und die Ihrigen haben ihm Liebe eingepflanzt, Altermann, das wird er niemals vergessen.«
    »Aber er wird niemals zurückkehren können. Er wird ein … Riese sein. Wie ein Mensch. Er kann niemals …«
    Doch die Modor schüttelte den Kopf.
    »Oh doch, er kann«, sagte sie. »Das Hin- und Herreisen zwischen Menschen und Hydden ist eine Kunst, die niemals ganz in Vergessenheit geraten ist, Altermann, nicht einmal in diesen finstersten aller Zeiten. Es hat immer welche gegeben, auf beiden Seiten, die herausgefunden haben, wie man zwischen den beiden Welten reisen kann. Man benutzt dazu die Henges, seien sie aus Holz oder Stein, lebenden Bäumen oder lebendem Wasser – es gibt viele Arten, und es gibt sie überall auf der Welt. Der einzige Unterschied zwischen einemMenschen und einem Hydden ist die Größe, und die ist relativ, eine Frage der Wahrnehmung. Ihr Enkel wird wiederkommen.«
    Der Altermann blickte verwirrt.
    »Aber die Henges, die Steinkreise, sind doch verfallen, von dem weißen Pferd hat man seit Jahrhunderten nichts mehr gehört, die Rituale sind in Vergessenheit geraten …«
    Sie schmunzelten.
    »Aber wir pflegen diese alte Kunst noch und sind selbst gelegentlich hin- und hergereist. Erst unlängst wieder, denn wir haben damit gerechnet, dass Sie uns den Knaben bringen, also haben wir uns in Englalond bereits nach einem Platz für ihn umgetan und nach Leuten, die sich um ihn kümmern können.«
    »Andere freie Hydden, meinen Sie? Nicht die Sinistral – oder die von ihnen befehligten Fyrd?«
    Die Fyrd, das wusste er, waren der starke Arm der herrschenden Sinistral: eine Armee grimmiger Krieger, die weder Mitleid noch Skrupel kannten. Sie beherrschten die Städte und Straßen der Hydden in ganz Englalond, wie mittlerweile in ganz Hyddenwelt. In den letzten Jahren waren sie zu Totengräbern der Freiheit geworden.
    »Seit Jahrhunderten«, sagte der Wita, »ist uns bekannt, dass, wenn der Riese kommt, stets auch die Hydden und die Menschen kommen, die er zu seiner Unterstützung braucht. Sie
wissen,
dass er kommt. Sie bereiten sich darauf vor.«
    Der Altermann blickte wieder ängstlich.
»Menschen?«
    Da lachte die Modor, und ihr Gatte stimmte mit ein. Ein beherztes Lachen freier Geister.
    »Menschen sind gar nicht so schlimm«, sagte sie. »Vor zehn Jahren kamen zwei in diese Gegend, um uns zu suchen. Wir hätten uns beinahe finden
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