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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Arthur zu wecken. Sie kuschelte sich an seinen Rücken, drehte sich auf ihren eigenen und hörte wieder das Schreien. »Ich bilde es mir nur ein«, sagte sie sich, drehte sich auf die Seite und hielt sich die Ohren zu.
    Stille und ein Gefühl der Erleichterung. Aber auch Kummer, denn sie vermisste Katherine und Jack und sehnte sich nach ihrer Rückkehr, so wie sie sich lange nach Arthurs Rückkehr gesehnt hatte.
    »Ich bin zurückgekommen«, sagte er immer wieder, »und sie werden es auch.«
    Aber nichts drängt einen Sterblichen so zum Handeln wie das Schreien eines Babys. Es kann nicht ignoriert werden. Sie hörte es wieder und dann noch einmal. Der Morgenwind trug es durch das offene Fenster. Sie setzte sich im Bett auf und lauschte. Es klang vollkommen real, auch wenn es leise und nur zeitweilig zu hören war. Doch es war so wirklich wie Arthur. So wirklich wie sie selbst.
    »Arthur!?«
    Das Baby schrie wieder. Margaret stand auf, ging zum Fenster, zog den Vorhang beiseite und öffnete das Fenster so weit, wie es ging.
    »Arthur!«
    Er rührte sich nicht, und Margaret wollte nicht länger zaudern. Sie schlüpfte in ihren Morgenrock und ihre Hausschuhe, eilte die Treppe hinunter und hinüber in den Wintergarten, öffnete die Tür und trat hinaus auf die Terrasse.
    Das Schreien des Babys klang nun zornig, eindringlich.
    »Arthur!«, rief Margaret noch lauter zu ihrem Fenster hinauf.
    Er mochte unempfänglich für die Welt sein, doch als Margaret diesen Ton in ihre Stimme legte, war er im Nu wach, aus dem Bett und am Fenster.
    Er spähte hinaus und sah sie auf dem Rasen stehen, die Haare so durcheinander und zerzaust wie seine eigenen.
    »Was ist denn los, um Himmel willen?«
    »Hör mal!«
    Er lauschte und hörte es. Das Babygeschrei war jetzt so deutlich und so fordernd wie das Läuten einer Kirchenglocke, die zum Gottesdienst rief.
    »Es kommt aus dem Henge«, sagte sie.
    Sie sah nur noch, wie Arthur vom Fenster verschwand, und vermutete, dass er auf dem Weg zu ihr herunter war. Doch das dauerte ihr zu lange.
    Das Babygeschrei wurde noch lauter, und so rannte sie trotz ihrer Furcht vor dem Henge, ohne zu überlegen, ohne etwas zu erwarten,hinaus in den Garten. Um den Holzstoß für das Feuer herum, zwischen den Bäumen hindurch und dann hinein in das kühle Henge. Sie blieb stehen und schaute sich um, hörte aber nichts mehr.
     
    Bis allmählich das leiseste und schönste aller Geräusche an ihr Ohr drang – das erste zufriedene Saugen eines neugeborenen Kindes.
    Margaret sah sie zuerst, Augenblicke später auch Arthur, der einen Stock in der Hand hielt, als habe er mit einem Überfall gerechnet. Er ließ ihn sofort fallen.
    »Katherine?«, flüsterte Margaret ungläubig, denn Katherine hatte sich sehr verändert.
    »Jack?«, fragte Arthur etwas nervös, denn Jacks Haar war jetzt länger, er selbst größer.
    Zusammen mit ihrem Kind sahen sie aus wie Geschöpfe der Wildnis, und Margaret umarmte sie alle.
    »Willkommen zu Hause, Kinder«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Willkommen zu Hause.«
     
    Sie brachten Katherine ins Haus, und Jack trug das Kind. Er und Arthur stellten rasch Clares altes Bett in den Wintergarten, denn dort wollte Katherine sein. Dasselbe Bett, derselbe Ort, derselbe Ausblick, nur eine andere Jahreszeit.
    Sie wuschen sie und das Kind, und Jack nahm ein Bad. Danach aßen sie, redeten, sahen einander an, sahen das Kind an und konnten es nicht fassen.
    Der Tag schritt voran. Die Windspiele klirrten, wie sie es immer getan hatten.
    Arthur und Jack überprüften den Holzstoß. Margaret schwebte wie auf Wolken, so glücklich wie nie zuvor in ihrem Leben.
    »Ich bleibe bei Katherine und dem Kind sitzen, wenn ihr das Feuer entzündet«, sagte sie.
    Jack tat es bei Einbruch der Dunkelheit. Arthur sah ihm dabei zu, und als das Feuer gut brannte, zog er sich in den Wintergarten zurück und beobachtete von dort, wie es größer wurde.
    Jack blieb noch eine Weile draußen. Er dachte an viele Dinge und blickte an Flammen, Rauch und Funken vorbei in das Henge, in Richtung Hyddenwelt.
    »Noch nicht«, sagte er sich leise, »noch nicht. Es gibt viel zu tun.«
    Dann ging er, wie zuvor Arthur, durch den Garten zurück, gesellte sich zu seiner Familie und betrachtete aus sicherer Entfernung das Feuer, dessen Schein sich kurz in den Augen seiner Tochter, der Schildmaid, spiegelte.
    Der Frühling war vorüber, und der Sommer begann.

Informationen zum Autor
    ©Kate Eshelby
    William Horwood, geboren 1944
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