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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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zum Flussbett, und Imbolc mit ihm.
    »Es ist ein großer Felsblock«, sagte er, »und darunter liegt etwas.«
    »Das ist kein Felsblock, sondern Beornamunds alter Schmelzofen. Das Wasser hat ihn umgerissen und wird gleich zurückkommen und ihn endgültig in die Vergessenheit stürzen. Dir bleibt nicht genug Zeit.«
    Aber Stort hörte sie nicht. Er watete bis zu den Knien in den Schlamm und fasste unter den umgefallenen Schmelzofen. Er schob die Hand durch Schlamm und Kies und tastete nach der Quelle des Lichts. Mit den Fingerspitzen fühlte er sie, konnte sie aber nicht richtig greifen.
    »Es ist der Frühling«, rief er verzweifelt, »aber ich bekomme ihn nicht zu fassen. Er ist zu weit weg und rutscht mir aus den Fingern …« Die Erde unter ihm erzitterte, als sich die Welle wieder den Hügel herabwälzte und dabei an Kraft gewann.
    »Komm zurück, Bedwyn Stort!«, rief Imbolc. »Ich kann dich nicht beschützen, wenn du dort bleibst. Komm zurück!«
    Doch Stort gehorchte nicht. Immer wieder stieß er die Hand unter den Schmelzofen, überzeugt, dass das ganze Geheimnis um den Stein des Frühlings endlich gelüftet werden konnte, wenn er nur weit genug den Arm ausstreckte und ihn zu fassen bekam.
    Die Erde bebte noch stärker. Stort streckte den Arm zu weit aus, und der Schmelzofen, groß und schwer und unter der Wucht des heranstürzenden Wassers erzitternd, verrutschte ein kleines Stück. Er klemmte Stort im selben Augenblick ein, als seine Hand den Stein zu fassen bekam.
    »Ich habe ihn!«, rief Stort. »Doch ich sehe nur das schöne Licht, das ihn umgibt. Kann ich denn sagen, dass ich etwas gefunden habe, was ich nicht sehen kann? Das kann ich nicht! Und ich kann ihn auch nicht bewegen. Imbolc, wünschen Sie mir alles Gute, denn ich fürchte, dass ich wie Sie im Begriff bin, dieses sterbliche Leben zu verlieren!« Tapfere Worte eines tapferen Hydden, doch nicht die Wahrheit. Denn über ihm riss der Himmel auf, und in dem großen Spalt sah er die Feuer des Himmels wie schon einmal zuvor.
    Licht ging von ihnen aus, und dann fiel ein Schatten auf Storts Gesicht, der nicht einmal den hellsten Lichtstrahl durchließ. Er nahm die Gestalt eines Sterblichen an, so groß wie der Himmel darüber.
    Eine große Hand fasste aus dem Schatten, ergriff den Schmelzofen und hob ihn, als sei er leicht wie eine Feder, von Storts Arm und Brust. Stort hob überrascht und erleichtert den Kopf und erblickte zwei große Sterne, die Beornamunds Augen waren.
    In diesem Augenblick traf sie die Welle. Doch Beornamund behütete sie beide. Umgelenkt durch seine riesige Hand, schoss das Wasser über ihre Köpfe hinweg, ohne Schaden anzurichten.
    Dann wurde es wieder ganz stil, und die Gefahr war vorüber. Stort saß, die Kleider halb vom Rücken gerissen, im Schlamm, öffnete die Faust und blickte hinein. Da lag der verlorene Stein des Frühlings, in dessen tiefem Innern das Licht eines neuen Lebens glomm.
    »Gib ihn mir«, befahl Beornamund.
    Stort gehorchte bereitwillig, denn ein Sterblicher sollte dergleichen nicht lange in der Hand halten.
    Dann wandte sich Beornamund an Imbolc, die, den Kopf zwischen den Sternen, Stort nun ebenfalls weit zu überragen schien, und setzte den Edelstein an seinen Platz in dem alten Anhänger, der um ihren Hals hing.
    Da fiel das Licht des Himmels, gespiegelt vom Stein des Frühlings, auf ihr Gesicht, und ihre Jugend und Schönheit kehrten zurück. Sie blickte Beornamund liebevoll an – sie wusste, was zu tun war.
    Sie nahm den Anhänger vom Hals und kniete neben Stort nieder. »Trage ihn, bis die Schildmaid dafür bereit ist. Bewahre ihn sicher auf und behalte das Geheimnis für dich. Sprich mit niemandem darüber. Trage die Last, wie nur du es vermagst, trage sie für sie mit derselben Liebe, die du für Mutter Erde und alle Dinge in ihr und auf ihr empfindest. Wirst du das für meine Schwester und mich tun?«
    »Ja«, antwortete Bedwyn Stort, dem vor Müdigkeit die Augen zufielen. »Ja, das werde ich …« Und bevor er die Augen endgültig schloss und in einen traumlosen Schlaf fiel, sah er noch, wie Beornamund Imbolc in die Arme nahm. Die beiden Gestalten zerfielen in silberne Staubteilchen, die eine frische Frühlingsbrise fortwehte, bis sie dem Blick entschwunden waren.
    Bald danach wurde er geweckt, nicht von der Sonne und auch nicht vom Zwitschern der Vögel oder der frischen goldenen Brise. Er wurde geweckt von dem kühlen Wasserstrom des kleinen Baches, in dem er lag und in dem alles seinen
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