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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Liebe, die sie empfangen hatte, als sie jung und schön gewesen war, und die sie zum Dank dafür seit jener Zeit der Erde und den Sterblichen zurückgab.
    So stand sie jetzt im feuchten Gras auf einem Hügel, auf dem ihr Liebster sie einst in den Armen gehalten hatte, und blickte über die noch dunkle Landschaft unter ihr. In dem sich lichtenden Dunkel der großen Menschenstadt sah sie, was kein Mensch zu sehen vermochte: die geheime und sagenumwobene Stadt von Hyddenwelt.
    Brum, die einstige Hauptstadt Englalonds, war heute das letzte Bollwerk der Freiheit und der rebellischsten Neigungen der Sterblichen, der Neigung zu schalkhaftem Humor und Eigensinn.
    Der Name der Reiterin war Imbolc, was in der alten Sprache Frühling bedeutet. Ihr Geliebter war Beornamund gewesen, der größte CraftLord von allen, Gründer von Brum. Die Quest war ihre letzte und schwierigste Aufgabe. Sie musste ihre Schwester und Nachfolgerin, die Schildmaid, finden. Denn es drohte Ungemach, nicht nur in Englalond und der übrigen Welt, sondern überall im Universum. Die Zeit war gekommen, da die Schildmaid gebraucht wurde.
    Das Ende der Tage drohte, und Imbolc, die Friedensweberin, hatte die Welt so gut es ging auf das, was zu tun war, vorbereitet, wohl wissend, dass sie den Rest ihrer Schwester überlassen musste, wann und wie auch immer sie gefunden werden mochte.
    Jetzt stand sie da, am Zügel ihres herrlichen Schimmels, blickte in den kalten Morgen ringsum und harrte der Dinge, die da kommen sollten.

2
BEDWIN STORT
    D rei Hydden und ein halber – der halbe war ein elfjähriger blonder Knabe, dünn und schlaksig – lagen zusammengekauert in einem Graben unweit der Stelle, wo Imbolc stand, und schliefen.
    Einer von ihnen war Brif, der Meisterschreiber von Brum und der bedeutendste Archivar seiner Zeit. Er war mit seinen gut neunzig Zentimetern Körperlänge groß für einen Hydden und zum Schutz gegen die Kälte in einen dicken, schmutzigen, roten Mantel mit der schwarzen Wollkapuze eines Gelehrten eingemummt.
    Neben ihm lag die gedrungene, kräftige Gestalt Mister Pikes, der mit seinen dreißig Jahren beträchtlich jünger war als Brif. Er war ein Knüppelmann, ein in den Kriegskünsten ausgebildeter Hydden, der momentan die Aufgabe hatte, Brif vor all jenen zu schützen, die ihm nach Leib und Leben trachteten, aber auch vor seinem eigenen Leichtsinn, der ihn bisweilen dazu trieb, Orte aufzusuchen, die er besser meiden sollte. Sein schwerer Ironclad, ein an beiden Enden mit Eisenbändern beschlagener Knüppel, lag neben ihm.
    Der Dritte, der mit ihnen das schlammige Lager teilte, war Barklice, einer der angesehensten Forstmeister der Stadt, dessen traditionelle Aufgabe darin bestand, in Brum und Umgebung umherzureisen, Streitigkeiten zu schlichten, Wogen zu glätten und die bisweilen erhitzten Gemüter in verschiedenen Hydden-Gemeinden zu beschwichtigen.
    Als Forstmeister war er nicht nur einer der erfahrensten lebenden Wegekundigen in Englalond, sondern auch – und dies war ein weiterer Nebeneffekt seines aufreibenden Berufs – von schlanker Gestalt, schmal im Gesicht und frei im Geiste.
    Alle trugen Hosen und Jacken, dazu selbstgefertigte Schuhe, deren Oberteil aus Leder bestand und die mit dem besten Material besohltwaren, über das sie verfügten: Laufflächengummi von ausrangierten Autorreifen der Menschen.
    Keiner der drei hatte eine angetraute Wyf oder sonstige Angehörige, und so hatten sie sich zusammengetan und waren am Abend zuvor aus der Stadt marschiert, um die Ankunft des Frühlings zu begrüßen, mit Geschichten und Geplauder, Scherzen über sich und die Welt und ein paar einfachen Ritualen, die tief in ihrem Glauben an Mutter Erde wurzelten. Noch tiefer freilich verehrten sie den Spiegel aller Dinge, in dem, wie sie glaubten, Wirklichkeit und Dasein aller Sterblichen, Hydden wie Menschen, abgebildet waren.
    Hydden wie sie feiern den Frühlingsbeginn an einem ganz anderen Tag, als es die Menschen gewöhnlich tun. Menschen leben nämlich vorwiegend in Städten und Häusern, die sie von den Elementen trennen, und dass der Frühling in der Luft liegt, merken sie daher erst, wenn er eigentlich längst begonnen hat.
    Hydden sind der Erde näher und wissen, dass die schönste aller Jahreszeiten nicht erst im März oder April anbricht, sondern viel früher. Sie beginnt mit den ersten Regungen im kalten Boden, wenn es in tiefen Höhlen gähnt und scharrt, wenn da und dort ein milderes Licht durch die noch trüben, winterkalten
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