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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin
Autoren: Eduardo Mendoza
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gewesen, die Entführung ein voller Erfolg gewesen wäre, der ihm Reichtum und Ruhm verschafft hätte. Bis er wieder in Freiheit war, hatten sich die Sicherheitsmaßnahmen auf den Flughäfen sehr verschärft, und Barça reiste unter anderen Bedingungen. Von diesem epischen Projekt blieben nur die Frustration seines Schöpfers und die Bewunderung derer, die wie ich die Schilderung aus seinem Munde hörten.
    Wieder zu Hause, hatte ich bereits beschlossen, dass meine Haltung gegenüber Romulus’ Vorschlag die richtige war. Ehrlich gesagt war ich in all den Jahren, die vergangen waren, seit mich meine Fehltritte ins Sanatorium geführt hatten, nie mehr auf die Idee gekommen, eine Straftat zu begehen. Ich war nicht nur rehabilitiert und hatte der Gesellschaft meine Schuld zurückgezahlt, sondern durfte mich rühmen, ein vorbildlicher Bürger zu sein. Für nichts auf der Welt hätte ich meine Freiheit oder gar meine Haut aufs Spiel gesetzt. Für nichts auf der Welt außer für Romulus den Schönen.

3
DER BRIEF
    Barcelonas Klima, konstant, mild, feucht und durchsetzt mit Salzpartikeln, genießt bei Viren und Bakterien zu Recht einen guten Ruf. Wir übrigen Lebewesen ertragen es nach Kräften, aber alle sind sich darin einig, dass vom ungesunden Kreislauf der Jahreszeiten der Sommer bei weitem die schändlichste und erbarmungsloseste ist. Und jener Sommer war ganz besonders schlimm. Wer es geschafft hatte, die Schuhe vom Asphalt zu lösen, suchte andernorts Zuflucht, und mochten sich auch im Zentrum oder in weiteren malerischen Zonen ein paar zerlumpte, ausgedörrte Touristen tummeln, so machte doch auf dem vom Vandalismus misshandelten städtischen Mobiliar des Viertels, wo ich wohne und arbeite, keiner sein Wabbelgesäß breit. Woraus sich schließen lässt, dass mein Geschäft immer schlechter lief. Vergeblich stellte ich mich mit meinem falschesten Lächeln in die Tür und jonglierte mit dem berufsspezifischen Instrumentarium; umsonst verkündete ich auf auffälligen Schildern Rabatte und Sonderangebote, Geschenke und Verlosungen. Monoton zogen sich die Stunden und Tage dahin, und im Salon erschien nur ab und zu der Caixa-Angestellte, um unter Beschimpfungen und Drohungen Zahlungen einzufordern. Daher murmelte ich, als ein Schlurfen meine bleierne Schläfrigkeit störte und sich im Eingang eine Gestalt abzeichnete, an diesem glutheißen Mittag bloß:
    «Sagen Sie dem Chef, dass ich am Montag ganz bestimmt vorbeikomme und zahle.»
    Solche Versprechungen überzeugen zwar nie, zeitigen aber normalerweise eine aufschiebende Wirkung. Nur einmal zog ein streberischer Praktikant eine Spraydose und besprühte die Fassade mit den Worten Säumiges Schwein . Doch diesmal trat die Gestalt ein und spähte ins Halbdunkel.
    «Sind Sie da?», fragte eine Mädchenstimme.
    «Ja, was darf’s denn sein?»
    Ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, und sie erkannte meine Umrisse in der Ecke, wo ich mich auf der Suche nach ein wenig nicht vorhandener Kühlung ausgestreckt hatte.
    «Das sage ich Ihnen, wenn Sie mir etwas Aufmerksamkeit schenken. Ich werde Ihnen nicht viel Zeit stehlen. Und wenn ein Kunde kommt, warte ich so lange wie nötig.» Sie machte eine Pause und fügte dann, als bemerkte sie meine Zweifel, hinzu: «Romulus der Schöne schickt mich.»
    In ihrem Ton lag ein Anflug von Bescheidenheit und Angst, was meine Benommenheit verscheuchte. Ich stand auf, ging in die Toilette, spritzte mir Wasser ins Gesicht und beobachtete sie ausgiebig im Spiegel, während ich mir mit einem Kamm durch die Haare fuhr. Sie konnte nicht älter als dreizehn sein und war weder sehr groß noch überaus dünn. Sie hatte zwar keine regelmäßigen Züge, aber ein sympathisches Gesicht mit nahe beisammenliegenden Augen, die gleichsam zum Schielen neigten. Ihre Zähne, größer als der Mund, zwangen sie zu einem Dauerlächeln, aber in diesem Moment spiegelte ihr Blick Unsicherheit und Verwirrung. Sie trug ein sehr schlichtes Sommerkleid, vermutlich aus einem chinesischen Warenhaus.
    «Was ist denn mit Romulus dem Schönen?», fragte ich.
    «Ich weiß es nicht», antwortete sie, «aber ich befürchte das Schlimmste. Darum bin ich Sie holen gekommen. Sie sind sein Freund. Und er hat Sie sehr geschätzt. Er hat mir viele Male von den Zeiten erzählt, wo Sie zusammengewohnt haben. Immer hat er Ihre Vorzüge gelobt, Ihren Geist gepriesen und Ihren Mut gerühmt. Als kleines Mädchen bin ich oft mit Romulus’ Schilderungen eingeschlafen, wenn er voller
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