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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao
Autoren: Pauline Gedge
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hatte. Er spannte ein wenig die Schultern, prüfte Si-Amuns Griff an seiner Kehle und spürte, wie sich der Ellenbogen seines Bruders fester an seinen Hals drückte. Mit der freien Hand hielt Si-Amun Kamoses Handgelenke wie ein Schraubstock auf dessen Rücken zusammen. Die beiden jungen Männer waren schweißüberströmt und keuchten. Si-Amuns Atem rasselte an Kamoses Ohr. »Du musst mich immer noch ganz zu Boden zwingen«, krächzte Kamose mühsam. »Meine Füße stehen noch.« Wenn ich ihn dazu bringe, dass er das Gleichgewicht verlagert, dachte er, kann ich ihn werfen. Si-Amun war über Kamoses schweißnassen Rücken gebeugt. Kamose sackte zusammen und spürte, wie sich sein Bruder kaum wahrnehmbar bewegte, um unbewusst den Griff zu ändern, und in dem Augenblick, als er nicht auf sein Gleichgewicht achtete, spreizte Kamose die Beine und beugte sich vor. Mit einem Aufschrei fiel Si-Amun in den Staub. Blitzschnell war Kamose über ihm und kniete sich fest auf seine Brust, damit er ihn nicht abwerfen konnte. »Letzter Wurf«, keuchte er, grinste, stand auf und streckte seinem Bruder die Hand hin. »Nicht zu fassen, dass ich dieses Mal tatsächlich gewonnen habe.« Si-Amun kam hoch, und dann umarmten sie sich.
    »Genieße deinen Sieg«, neckte ihn Si-Amun, »das kommt so schnell nicht wieder vor. Du hast nur gewonnen, weil ich mich heute nicht so gut fühle, ich habe letzten Abend zu viel Wein getrunken.«
    »Alles Ausreden.« Kamose ging zu ihren Schürzen, die als weißer Haufen auf der heißen Erde lagen. »Si-Amun, ich werde, glaube ich, am Ende doch noch der bessere Ringer. Ich habe ja auch viel mehr mit Hor-Aha geübt als du. Du wirst so langsam faul.« Er warf Si-Amun seinen Schurz zu und band sich seinen um die Mitte.
    »Du hast Recht«, bestätigte Si-Amun gutmütig. »Ich bin gern gut in Form, aber ein durchtrainierter Soldat will ich nicht werden. Und es ist auch nicht einzusehen, warum du das solltest.« Er deutete auf das hintere Ende des Exerzierplatzes, wo eine große Zahl Männer gedrillt wurde. Die Sonne funkelte auf ihren Speerspitzen, und ihre sonnengebräunten, muskulösen Leiber glänzten von Öl. Die scharfen Befehle des befehlshabenden Offiziers kamen als Echo zu den beiden Brüdern zurück, die jetzt zusahen, wie die Formation schneidig schwenkte. »Vaters teures Spielzeug«, fuhr Si-Amun fort und wischte sich die Stirn kräftig mit dem Schurz, ehe er ihn richtig zuband. »Natürlich brauchen wir eine Leibwache und beim Reisen ein paar Gefolgsleute und dazu vielleicht ein, zwei Truppenkontingente, falls es Ärger in den Nomarchen gibt, aber da Vater bei Ernstfällen das ganze Heer des Königs zur Verfügung steht, könnte er die Hälfte seiner fünfhundert Mann nach Haus schicken. Ihr Unterhalt treibt Uni in den Wahnsinn.«
    »Vielleicht braucht man sie eines Tages«, erwiderte Kamose, hob seine Sandalen auf und schüttelte den Sand heraus. Si-Amun hakte so rasch nach, dass er damit seine geheime Sorge verriet.
    »Zu was?«, fuhr er Kamose an. »Ein richtiges Privatheer könnte Vater doch nur gegen den Einzig-Einen selbst gebrauchen, und mir ist klar, dass er solche Gedanken hegt, so wie er auf die Rolle des Königs reagiert hat. Niemand weiß besser als ich, dass in unseren Adern königliches Blut fließt, weswegen ich ja auch nicht begreife, warum wir uns freiwillig in diese elende, glühend heiße tiefste Provinz verbannt haben, wenn wir neben Apophis in Auaris sitzen und uns in seiner Gunst sonnen könnten. Vater ist zu stolz.«
    »Der Stolz eines Fürsten, der lieber am Sitz seiner Vorfahren regiert, als jeden Tag dem König in einer Gegend von Ägypten, wo er weder Freunde noch Wurzeln hat, die Lederstiefel zu lecken«, fauchte Kamose gereizt zurück. »Wenn ich doch nur vor dir geboren wäre, Si-Amun, dann könntest du nach Norden gehen und beim König katzbuckeln, während ich mich darauf vorbereiten würde, die Verantwortung eines Fürsten von Waset zu übernehmen.«
    »Du hast keinen Funken Humor!«, hänselte ihn Si-Amun ein wenig. »Und bist so bieder! Willst du denn gar keinen Spaß haben, Kamose, gehst du nie mit ein paar Dienerinnen ins Bett, betrinkst du dich nie mitten in der Nacht in deinem Boot auf dem Fluss? Du bist immer so tierisch ernst!« Kamose verkniff sich eine bissige Antwort.
    »Ich nehme das Leben etwas ernster als du, Si-Amun, mehr nicht«, sagte er gelassen und strebte zur Pforte in der Mauer, die auf den hinteren Hof ging. Si-Amun beeilte sich, mit ihm Schritt
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