Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
Großer Gackerer. Sutechs Hunde mundtot machen. Das dürfte genügen. Das dürfte voll und ganz genügen …
    Als sich die Türen dann hinter ihnen geschlossen hatten, band der Tempeldiener Seqenenre die Sandalen zu, und dann schlenderten dieser und Amunmose über den Vorhof. Amunmose sagte: »Die Opfergaben sind nichts zum Lachen, Gebieter. Gewiss, der Tempel ist klein und meine Dienerschaft nicht übermäßig zahlreich, und ich weiß auch, dass uns das Gold im Gegenzug für die Aushebung von Arbeitern und anderen Gefallen zugeteilt wird, die nicht einzeln in der Abmachung mit dem Einzig-Einen aufgeführt sind, aber über den Bedarf des Gottes zu lachen, das grenzt fast an Gotteslästerung.«
    Seqenenre packte ihn bei den Schultern und zwang ihn stehen zu bleiben. Da standen sie nun im gleißenden Sonnenschein und blinzelten sich an. Auf dem Hof herrschte jetzt mehr Geschäftigkeit. Weeb-Priester kamen und gingen durch die hohen Pylonen, nahmen Gaben der kleinen Leute zusammen mit ihren Bitten entgegen. Etliche Edelleute vollzogen das Reinigungsritual, ehe man sie auf den Innenhof ließ, doch die Tempelfrauen schenkten ihnen keine Beachtung, sie unterhielten sich oder beteten oder saßen im Schatten der Mauer und tratschten. Man konnte Seqenenres Eskorte sehen, wie sie neben der Sänfte hockte, die Speere neben sich im Sand, und das Knöchelspiel spielte.
    »Mach mir keine Vorwürfe, lieber Freund«, bat Seqenenre. »Erhalte ich das Haus meines Vaters etwa nicht? Kümmere ich mich etwa nicht darum, dass Montus Schrein dem Auge wohlgefällig ist? Ist die Wohnstatt Muts nicht liebevoll aus meiner eigenen Schatulle ausgebessert worden? Welcher andere Nomarch in diesem kranken und elenden Land kümmert sich so um die heiligen Stätten wie ich?« Er hatte nicht vorgehabt, all das zu sagen. Er hatte den Hohen Priester daran erinnern wollen, dass er, Seqenenre, ihn eingesetzt hatte und daher ein gewisses Maß an Nachsicht erwarten könne, doch bei seinen ersten Worten hatte ihn ein eisiger Schmerz übermannt, und der Ärger war ihm aus der Brust auf die Zunge gestiegen, was ihm so vertraut war, dass er erschrak. Amunmose war blass geworden. Er senkte den Blick und stammelte eine Entschuldigung. Seqenenre verwünschte sich innerlich. »Verzeih mir«, bat er. »Ich bin nicht böse auf dich. Ich habe im Heiligtum gelacht, weil mein Vater mein Gebet beantwortet hat, mehr nicht.« Amunmose berührte das Leopardenfell, das über seiner rechten Schulter hing, mit der linken Hand. Das war die Huldigung eines Untertanen gegenüber seinem König.
    »Dennoch hast du Recht, Fürst«, sagte er. »Ich habe mir zu viel herausgenommen.«
    »Du hast auch Sorgen, ich weiß«, sagte Seqenenre mit einem Seufzer. »Ich habe schon wieder eine sinnlose Anweisung des Einzig-Einen erhalten und komme einfach nicht dahinter, in welche Richtung diese sonderbaren Botschaften zielen. Vielleicht sollte ich Amuns Orakel befragen.«
    »Vielleicht.« Amunmose zögerte. »Fürst, darf ich dir einen Rat geben?« Seqenenre blickte ihn verdutzt an.
    »Natürlich.«
    »Dann hüte dich vor gespitzten Ohren rings um dich, wenn du über den Einzig-Einen und seine Befehle sprichst. Mir gegenüber hast du das Wort Gotteslästerung in den Mund genommen. Deine Meinungen könnten von treuen Ägyptern bisweilen als Gotteslästerung gegenüber dem Herrn der Zwei Länder aufgefasst werden. Du bist dabei, dich zu verändern, Seqenenre Tao.« Amunmose lächelte schmal. »Die alte Zufriedenheit ist dahin. Du bist nicht mehr Nomarch von Waset und Fürst von Ägypten.« Seqenenres Kehle wurde trocken.
    »Was weißt du, was ich nicht weiß?«, flüsterte er. »Meine Diener sind Kinder der Diener meines Vaters und meinem Namen und meiner Autorität treu ergeben.« Amunmose hob die Hand und schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß gar nichts, das schwöre ich bei den erhabenen Federn des Gackerers. Ich bitte dich nur um Vorsicht. Dein Vater hat unter dem Einzig-Einen als ehrlicher Nomarch gedient, und er hat seinen Dienern keinen Grund geliefert, ihre Treue in Frage zu stellen. Es wäre unklug, wenn du deinen Dienern Grund zu Panik geben würdest.« Seqenenre blickte ihn verwundert an.
    »Bin ich so arglos?«, murmelte er mehr zu sich selbst. »Bin ich so dumm? Ich werde über deinen Rat nachdenken.« Amunmose verbeugte sich und wandte sich ab.
    Seqenenre ging zu seiner Sänfte, zog die Vorhänge zu und ließ sich in die Kissen sinken. Du bist dabei, dich zu verändern, Seqenenre Tao
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher