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Der Fremde ohne Gesicht

Der Fremde ohne Gesicht

Titel: Der Fremde ohne Gesicht
Autoren: Nigel McCrery
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heute Morgen kurz vor sechs und rief sofort die Polizei.«
    »Um sechs? Meine Güte, fängt die aber früh an. Stört das niemanden im Haus?«
    »Sie kocht wohl auch. Sie kommt so früh her, um für sich und die anderen Bediensteten Frühstück zu machen, bevor sie mit der Arbeit beginnen.«
    »Wie viele Bedienstete gibt es denn hier?«
    »Mit Mrs. Waddam vier. Ein Fahrer und Mädchen für alles, was immer das heißen mag.« Sein missbilligender Tonfall amüsierte Sam. »Er wohnt in einem Häuschen hinter der Villa. Dann ist da ein Gärtner, der irgendwo im Dorf wohnt, aber er arbeitet nur Teilzeit, und eine Putzfrau, die gegen neun kommt.«
    Flannery führte Sam durch die riesige Eingangshalle und die geschwungene Treppe hinauf zum Schlafzimmer. Von innen war das Haus ebenso eindrucksvoll wie von außen. An den Wänden hingen alte und moderne Gemälde, während überall auf dem Boden, den Tischen und den Anrichten kostbare Antiquitäten standen. Die Einrichtung traf nicht Sams Geschmack, aber sie war stilvoll. Geld und Stil, diese Verbindung hätte sie einem Mann wie Clarke nie zugetraut. Vielleicht steckte doch mehr in ihm, als man ihm ansah. Andererseits ließ er vermutlich einen Innenarchitekten für sich arbeiten. Sam dachte immer Gutes über Leute, die sie mochte, aber sie hasste es, jemandem, den sie nicht mochte, etwas Gutes zuzutrauen. Es war eine Schwäche, aber sie konnte damit leben.
     
    Sharman brauchte eine halbe Stunde von seiner Zwei-Zimmer-Sozialwohnung in Arboury in die begrünte Mittelklasse-Gegend von Grantchester. Normalerweise hätte er doppelt so lange gebraucht, aber es war noch früh und auf den Straßen war nichts los. Cambridge litt, wie andere Städte auch, an zu vielen Leuten in zu vielen Autos und es war eine nette Abwechslung, einmal ungehindert über leere Straßen rollen zu können. Als er eintraf, fand er das normale Chaos vor, das den Beginn jeder Mordermittlung begleitete. Überall Leute, Autos und Ü-Wagen. Kriminalbeamte und Uniformierte bemühten sich, so auszusehen, als spielten sie eine Rolle, was bei den meisten von ihnen nicht der Fall war. Weiß gekleidete Männer von der Spurensicherung trugen Plastikbeutel mit irgendwelchen Proben und Beweismitteln hin und her, während das ganze Gelände mit endlosen Rollen schwarz-gelben Bändern abgesperrt wurde. Auch die Presse war zahlreich erschienen, doch nachdem sie einen Blick in seinen Wagen geworfen und ihn als unwichtig abgehakt hatten, interessierte sich niemand für ihn. Sharman war das nur recht. Als er sich der Zufahrt näherte, trat ein junger Constable vor seinen Wagen und hielt ihn an. Sharman kurbelte das Fenster herunter und der junge Mann beugte sich zu ihm herab.
    »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
    Sharman hatte Uniformierte noch nie gemocht, schon als er selbst noch einer gewesen war, und am wenigsten mochte er Uniformierte, die ihn nicht kannten. Er betrachtete sich als so etwas wie eine Legende in der Polizei von Cambridge. Auf ihn kamen mehr Festnahmen, mehr wiedergefundenes Diebesgut und mehr Belobigungen als auf den ganzen restlichen Haufen Faulpelze zusammen, und es irritierte ihn, wenn so ein Grünschnabel nicht wusste, wer er war. Unnütze Staubfänger, fand er, allesamt.
    Er schaute in das junge, dienstbeflissene Gesicht. Gott, dachte er, jetzt schicken die schon Kinder auf Streife. »Weiß deine Mutter, dass du dich draußen herumtreibst, mein Söhnchen?«
    Er sah sofort, dass die Bemerkung getroffen und den kleinen Schlappschwanz verwirrt hatte. Die Sache fing an, ihm Spaß zu machen.
    »Ich fürchte, Sir, ich muss Sie bitten, zu wenden und der Umleitung zu folgen. Sie ist deutlich ausgeschildert. Vielleicht sollten Sie Ihre Brille aufsetzen, um sie nicht noch einmal zu übersehen, Sir?«
    Jetzt war Sharman an der Reihe, verwirrt zu sein, obwohl er sich eine gewisse Bewunderung für die Schlagfertigkeit des Jungen nicht verkneifen konnte. Er liebte Sarkasmus. Doch einem Detective Sergeant pinkelte man nicht ans Bein, schon gar nicht einem so abgerückten wie ihm. Dem kleinen Mistkerl würde er es schon noch heimzahlen.
    Er zog seinen Ausweis aus der Innentasche seiner Jacke und hielt sie dem jungen Constable vor die Nase. »Detective Sergeant Sharman. Soll ich jetzt immer noch der Umleitung folgen, Söhnchen?«
    Der Constable reagierte überrascht und etwas nervös. »Tut mir Leid, ich habe Sie nicht erkannt, Sir.«
    Das Wort »Sir« brachte Sharman noch mehr auf die Palme. »Das heißt nicht ›Sir‹
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