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Der Fremde ohne Gesicht

Der Fremde ohne Gesicht

Titel: Der Fremde ohne Gesicht
Autoren: Nigel McCrery
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ich wette, du machst ihn nervös. Schon mal auf die Idee gekommen, dich zu rasieren oder mal mit dem Kamm durch die Haare zu gehen, bevor du zum Dienst erscheinst?«
    Sharman befühlte sein Kinn und fuhr sich mit der Hand über den Kopf. »Heute ist mein freier Tag. Ich hatte nicht damit gerechnet, hier aufzutauchen.«
    Tinker strich mit der Hand über Sharmans Jacke. »Das ist Gypsy Smiths Blut, wenn ich mich nicht irre. Den haben wir vor zwei Monaten eingelocht.«
    Sharman grinste ihn sarkastisch an. »Lass mir doch ein paar Souvenirs. In welchem Zimmer liegt die Leiche?«
    »Immer der Nase nach.«
    Sharman funkelte ihn an.
    »Schon gut, mach dir nicht ins Hemd. Die Treppe hoch, dann rechts, dritte Tür links. Nicht zu verfehlen, da wimmelt’s von Männern in weißen Anzügen. Wenn du Glück hast, nimmt dich einer davon mit.«
    Als er sich zum Gehen wandte, rief Sharman ihm nach: »Tinker!«
    Tinker drehte sich zu seinem früheren Partner um. »Was?«
    »Fick dich ins Knie.«
    Tinker lachte. »So ist es recht, Stan, einer muss ja für Moral und Anstand in der Truppe sorgen.«
    Sharman ignorierte die Bemerkung und stieg die Treppe hinauf. Auf dem obersten Absatz wandte er sich nach rechts und folgte den hellen Lichtern und weiß gekleideten Tatort-Spezialisten in das Zimmer. Doch bevor er eintreten konnte, trat ihm Colin Flannery mit wütendem Gesicht entgegen.
    »Warum tragen Sie keinen Overall?«
    Ausnahmsweise fiel Sharman keine clevere Erwiderung ein. Er mochte ein altes Raubein sein, aber er nahm seine Arbeit ernst und wusste, dass er im Unrecht war.
    »Tut mir Leid, nicht dran gedacht. Haben Sie zufällig einen übrig?«
    Immer noch verärgert, drückte Flannery ihm einen Overall und Überschuhe in die Hand. »Machen Sie das nicht noch mal, Stan.«
    Ob er Flannery mochte, wusste Sharman nicht genau, aber er respektierte ihn, und das reichte ihm. Rasch zog er den Overall über.
    »War eine harte Nacht.«
    Flannery schüttelte den Kopf. »Gibt’s bei Ihnen auch andere, Stan? Irgendwann bringt Sie das um.«
    Er baute sich vor der Tür auf, bis Sharman voll eingekleidet war, dann trat er zur Seite. »Jetzt können Sie hineingehen, Detective Sergeant.«
    Sharman nickte und trat ein. Das Zimmer war von mehreren Lampen der Spurensicherung in gleißendes Licht getaucht und überall waren Männer von der Spurensicherung zu sehen. Schon komisch, wie viel sich im Laufe der Jahre verändert hatte. Es war noch gar nicht lange her, dass er das erste Mal von Tatort-Spezialisten gehört hatte. Und jetzt bildeten sie schon eine ganze Abteilung. Als er mit diesem Beruf anfing, hatte man einen Pathologen, meist einen Mann mittleren Alters, der über der Leiche eine Zigarette rauchte oder an seinem Sandwich kaute, dazu ein paar Ermittler, die in letzter Minute dazukamen, um Beweisstücke einzusammeln, und damit hatte es sich. Jetzt war das alles Sache einer Spezialabteilung, die ihre Arbeit mit großer Umsicht und Professionalität erledigte. Aber schlecht war es nicht und Flannery schien mit seinem Team durchaus Ergebnisse zu liefern. Er schaute sich um. Dick Meadows war schon da und blickte so streng in die Gegend, wie er nur konnte. Zwei Tatort-Spezialisten machten auf Dr. Ryans Aufforderung hin Fotos, während ein dritter die ganze Szene auf Video aufzeichnete. Meadows trat zu Sharman und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Alle schienen hier zu flüstern, vielleicht mit Ausnahme der Pathologin, und bei all dem organisierten Chaos, das einen Mord-Schauplatz umgab, herrschte doch immer eine seltsam gedämpfte Stimmung. Warum, wusste Sharman nicht genau, aber es schien irgendwie angemessen. Vielleicht war es ein Zeichen des Respekts.
    »Verdammt noch mal, Stan, du siehst ja aus, als hätte dich jemand rückwärts durch eine Hecke gezogen. Wieso rasierst du dich nicht mal, würde dich um Jahre jünger machen. Jeden Moment wird der Chef hier sein und dann will ich, dass du hier verschwindest. Wenn er dich so sieht, verliert er den Glauben an uns alle.«
    Sharman ignorierte ihn. Sein Blick wanderte instinktiv hinüber zu dem Bett. Dort lag nackt, die Gliedmaßen von sich gestreckt, Hände und Füße fest an die vier Bettpfosten gefesselt, eine junge Frau. Ihr Körper war sportlich durchtrainiert, der Bauch flach, die Brüste fest und aufrecht. Zweifellos war sie sehr schön gewesen, als sie noch lebte, doch jetzt war ihr Gesicht schwarz und bis zur Unkenntlichkeit verquollen. Um den Hals hing eine Art Schlinge, die sich so tief in
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