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Der Frauenhaendler

Der Frauenhaendler

Titel: Der Frauenhaendler
Autoren: Giogio Faletti
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Pause.
    »Das war ein Irrtum.«
    Ich ziehe ein Päckchen Zigaretten heraus und biete ihr eine an. Zu meiner Überraschung lehnt sie ab.
    Meinem verblüfften Gesicht begegnet sie mit einem Lächeln.
    »Mit der Zeit wird es leichter, den Lastern zu widerstehen.«
    Ich zünde mir eine an und denke, dass es nicht immer so ist.
    »Dein Mann scheint mir ein großartiger Mensch zu sein.«
    »Das ist er.«
    »Und dein Sohn ist ein wunderschönes Kind. Sehr aufgeweckt, würde ich sagen.«
    Sie lächelt. Auch mit den Augen.
    »Oh ja, fast schon zu sehr, was das betrifft.«
    Es liegt keine Neugierde in meiner Frage, nur ein leises Bedauern.
    »Und wie geht es dir?«
    »Du hast es bereits gesagt. Ich habe einen Mann und einen Sohn. Das hilft mir dabei, nicht nachzudenken.«
    Ich stütze den Ellbogen auf den Schreibtisch. Was sie meint, verstehe ich gut. Denken kann wirklich harte Arbeit sein.
    Ich schlage einen anderen Ton an.
    »Was kann ich für dich tun?«
    Sie sucht nach Worten.
    Und findet sie schließlich.
    »Als ich gegangen bin, war es nicht möglich zu reden. Aber ich habe dir eine Geschichte erzählt.«
    Ihre eigenen Erinnerungen reichen ihr nicht. Das passiert, wenn sie nicht schön sind.
    »Du schuldest mir auch eine.«
    Ich frage mich, ob sie in all den Jahren wirklich darüber nachgedacht hat. Doch an ihrer Stelle hätte ich auch darüber nachgedacht.
    »Eine Geschichte, meinst du?«
    Ich spiele die Sache herunter, indem ich eine beiläufige Miene aufsetze und für einen Moment den Kopf wegdrehe.
    »Die ist leicht zu erzählen. Es reichen wenige Worte.«
    Sie schaut mich an. Und wartet darauf, dass ich die Worte ausspreche.
    »Ich war jung, schön und reich und hatte alle Frauen, die man sich nur wünschen kann. In Palermo war ich eine kleine Berühmtheit. Im letzten Jahr meines Jurastudiums habe ich mich in die falsche Frau verliebt. Eine Frau, auf die auch der Neffe von Turi Martesano ein Auge geworfen hatte, und der war damals eine große Nummer in der Mafia. Man hat mich gewarnt, was für ein Risiko ich einging, aber ich fühlte mich unberührbar, geschützt vom Schild der politischen Stellung meines Vaters.«
    Wider Willen entschlüpft mir ein Lächeln bei dem Gedanken, wie naiv und wehrlos ich war.
    »Sie war ebenso verliebt wie ich. Vielleicht noch mehr als ich, denn wenn ich gewusst hätte, was mir blüht, hätte ich die Beine in die Hand genommen und mich vom Acker gemacht. Stattdessen haben wir uns weiterhin getroffen. Eines Abends, als ich auf dem Heimweg war, wurde ich von drei Männern aufgegriffen. Sie haben mir eine Kapuze über den Kopf gestülpt und mich in ein Auto gestoßen.«
    Ich lasse ihr Zeit, die entsprechenden Bilder in ihrem Kopf entstehen zu lassen. Sicher bietet ihr Erfahrungsschatz genug Material dafür.
    »Sie haben mich irgendwohin gebracht. Auf einen Gutshof, glaube ich. In der Luft lag der Geruch von Land. Ich hörte die Stimme eines Mannes, der mit mir redete. Eine raue, kratzige Stimme, die mir sagte, ich solle brav sein und dass es, wenn ich brav sei, nicht allzu sehr wehtun würde … Bravo, hat er gesagt, mir die Hose aufgeknöpft und mich entmannt.«
    Auch mir treten die Bilder unwillkürlich vor Augen. Ich hatte eine Kapuze auf dem Kopf und sah nur Schwarz. An den gelben Blitz des Schmerzes vor meinen aufgerissenen Augen erinnere ich mich allerdings.
    »Und was ist dann geschehen?«
    »Sie haben mich vor meinem Haus liegen gelassen, einer abgelegenen Villa am Meer in Mondello. Ich wurde sofort in eine Privatklinik gebracht, notoperiert und unter absoluter Geheimhaltung kuriert. Niemand durfte erfahren, dass man dem Sohn von Senator Amedeo Sangiorgi den Schwanz abgeschnitten hat.«
    Meine Stimme muss für sie genauso klingen wie für mich.
    Gedämpft und immer noch ungläubig.
    »Als ich geheilt war, hat man mich nach Rom gebracht und in die Obhut eines Psychologen gegeben. Um mit meinem Zustand klarzukommen, wurde mir gesagt. Die Sitzungen haben allerdings nur dazu gedient, einen Verdacht in mir zu wecken. Alles war viel zu präzise abgelaufen, um zufällig zu sein. Das Liegengelassenwerden vor dem Haus, die so schnelle Hilfe, die zufällige Anwesenheit all der Ärzte in der Klinik. Als wäre mein Vater zuvor von dem unterrichtet worden, was geschehen würde.«
    Ich schaue ihr wieder ins Gesicht. Diese Frau habe ich kaltblütig morden sehen. Und doch spiegelt sich jetzt unendlicher Schmerz in ihren Zügen.
    »Und so war es auch. Das hat er mir selbst bestätigt. Er wusste
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